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Vollmeisen

Vollmeisen

Titel: Vollmeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klein Kerstin
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die souveräne Geisel, cool und abgeklärt. Wäre dies ein Fernsehfilm, würde Veronica Ferres nur allzu gerne meine Rolle spielen.
    Den Rest des Abends saßen wir noch eine Weile zusammen, denn ich hatte eine ganze Menge Fragen. Irgendwann fielen mir aber fast die Augen zu.
    Â»Geh hoch und leg dich hin, Süße. Das war heute alles ein bisschen viel für dich. Ich schlafe hier unten auf dem Sofa, und wir sehen uns morgen früh wieder.«
    Ich war wirklich todmüde und schlief fast sofort ein.
    Am nächsten Morgen frühstückten Nick und ich noch gemeinsam. Dabei grinste er mich plötzlich an: »Mit einer Frau zu frühstücken, mit der ich keine Nacht verbracht habe, ist mir auch noch nicht oft passiert.«
    Na danke. Das konnte ich mir leider lebhaft vorstellen. So ein heißer Typ wie Nick verbrachte sicher nicht viele Nächte allein. Was ich mir allerdings gar nicht vorstellen konnte, war, was ich hier die nächsten Tage so ganz allein mit mir anfangen sollte.
    Ich musste wohl recht verzweifelt geschaut haben, denn Nick lehnte sich vor und sagte versöhnlich: »Ich weiß, dass alles blöd gelaufen ist. Glaub mir, wenn ich eine Wahl gehabt hätte, hätte ich dir die Wahrheit gesagt. Bist du mir noch böse?«
    Ich wusste, dass ich genau das eigentlich sein sollte. Aber bei diesem Blick und dem Lächeln – ich war eben auch nur ein Mensch.
    Â»Ich werde mal drüber nachdenken«, lächelte ich ihn an. Er strich mir mit seinem Finger über die Wange, stand auf, nahm seinen Autoschlüssel und sagte: »Tschüs, Süße, ich rufe dich an.«
    Zehn Minuten nachdem Nick sich verabschiedet hatte, war mir schon langweilig. Die Bücher, die in der grottigen Schrankwand in Nussbaumoptik standen, waren von Konsalik, Simmel und Konsorten. Nicht so ganz mein Stil. Der Fernseher musste auch noch aus den Siebzigerjahren stammen, jedenfalls empfing er nur drei öffentlich-rechtliche Programme. Ein Wunder, dass sie zumindest in Farbe waren. Was sollte ich hier bloß die ganze Zeit mit mir anfangen?
    Mitten in meine Überlegungen hinein klingelte es an der Tür. Draußen stand eine Frau – glaubte ich jedenfalls. Sie war sehr groß, beugte sich anscheinend nicht dem Diätenwahn und hatte eine sehr merkwürdige Frisur – einen kurzgeschorenen Meckischnitt. Meine totale Verblüffung schien sie jedoch nicht zu irritieren.
    Â»Hallöchen, willkommen bei uns! Ich bin Anneliese und deine nächste Nachbarin. War die Susi schon hier?«
    Â»Ã„h, nein, ich glaube nicht, eigentlich war noch keiner hier«, gab ich zurück.
    Â»Na, dann ist ja gut. Die Susi will immer alles als Erste wissen, das ist hier die größte Tratschtante überhaupt. Steckt ihre Nase ständig in Dinge, die sie nichts angehen, und hält sich für unfehlbar. Da könnte ich dir Sachen erzählen, da würdest du staunen. Wusstest du, dass man sie im Supermarkt entlassen hat? Sie behauptete natürlich, sie wollte mehr Zeit für ihre Kinder haben und hätte deshalb aufgehört, dort zu arbeiten, aber wir wissen alle, dass sie Jugendlichen Alkohol verkauft hat. Ist das zu fassen?«
    Â»Ã„h …« Mehr fiel mir so spontan nicht ein.
    Â»Na gut, dann lass uns mal einen Kaffee trinken, und dann erzählst du mir, was dich hierher verschlagen hat, ja? Wir haben gestern gesehen, dass du von einem Mann aus der Stadt gebracht worden bist. War das dein Freund?«
    Himmel hilf. War das die Anteilnahme, von der Nick gesprochen hatte? Würde hier irgendetwas unbeobachtet bleiben?
    Ich kochte in der kleinen Küche Kaffee und setzte mich zu meiner neuen Nachbarin, die es sich an meinem Küchentisch bereits bequem gemacht hatte. Was hatte Nick gesagt? Genau, anpassen. Ich müsste mich ein bisschen anpassen.
    Â»Schön, Sie kennenzulernen, ich bin Alice. Ich mache hier aber nur einen kleinen Urlaub, dieses Haus gehört einer Freundin von mir.«
    Â»He, brauchst nicht so etepetete zu sein. Hier sagen wir ›du‹, ja?«, sagte sie und stieß mir dabei kumpelhaft ihren Ellenbogen in die Rippen.
    Â»Wer ist denn deine Freundin? Wir haben natürlich mitgekriegt, dass der Sohn von Guschi ihr Haus nach ihrem Tod vermietet hat, aber hier hat sich ja nie jemand blicken lassen. Das ist uns schon komisch vorgekommen.«
    Mist! Wer sollte denn jetzt diese besagte Freundin sein? Aber im Geschichtenerzählen war ich

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