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Vollmeisen

Vollmeisen

Titel: Vollmeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klein Kerstin
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zerknirscht zurück, »aber ich habe vorhin nur schnell Mehl und Zucker und Hefe für meinen Kuchen gekauft.«
    Â»Hefe?«, fragte Susi erstaunt. »Aber du hast doch gar keinen Hefekuchen gemacht?«
    Hatte ich nicht? Kuchen backte man doch mit Hefe, oder nicht? Ach, was weiß denn ich, also sagte ich schnell: »Nein, das ist richtig, aber in einen ordentlichen Haushalt gehört doch Hefe.«
    Damit gaben sie sich erstmal zufrieden. Anschließend hörte ich eine ganze Menge Dorfklatsch, den ich nicht so richtig genießen konnte, da ich niemanden von den Leuten kannte, über die hier getratscht wurde. Dann bekam Anja, die am nächsten Tag in den Urlaub nach Spanien wollte, noch wertvolle Tipps zum Überleben im Ausland, und endlich war mein erstes Kaffeekränzchen vorbei. Nur Anneliese blieb mir noch etwas erhalten.
    Â»Mir kannst du ruhig sagen, warum du hier ›Urlaub‹ machst, da gibt es doch bestimmt einen Grund für, oder? Das bleibt auch ganz unter uns.«
    Na, da war ich sicher. Anneliese und Diskretion, das passte ungefähr so gut zusammen wie Dieter Bohlen und mangelndes Selbstbewusstsein. »Ach, weißt du«, redete ich mich heraus, »das ist alles im Moment etwas kompliziert. Aber wenn ich mal reden will, weiß ich ja, wo du wohnst.«
    Ihre dicken Wangen fingen vor freudiger Erwartung schon an zu zittern. »Na klar, ich bin für dich da. Und ich habe eine tolle Idee, wie du dich ein bisschen ablenken kannst. Die Damenabteilung des Schützenvereines macht morgen eine Ausfahrt, wir besichtigen eine Fischfabrik. Und wir haben noch Plätze frei, also kannst du mitkommen. Ist das nicht toll?«
    O ja, und wie! Eine Fischfabrik, Herr im Himmel, ich danke Dir! Du hast mich nicht vergessen. Aber wenn die liebe Anneliese es auch nicht wissen konnte, so ganz unrecht hatte sie nicht. Die Ablenkung heute hatte mir schon gutgetan. Ich hatte es den ganzen Tag erfolgreich geschafft, weder an meinen belgischen Freund noch an Simon oder an Nick zu denken. Also, bevor ich morgen hier rumhockte und Trübsal blies, konnte ich ja wirklich lieber etwas unternehmen, und wenn es die Besichtigung einer Fischfabrik war.
    Â»Das ist aber wirklich nett von dir, ich komme gerne mit. Wann geht’s denn los?«
    Â»Wir treffen uns morgen früh um Viertel nach vier am Schützenhaus, da holt uns der Bus ab.«
    Hatte ich mich verhört? Ich wusste zwar schon, dass die Landbevölkerung mit den Hühnern aufsteht, aber auch Hühner schliefen doch bestimmt bis mindestens sieben Uhr, oder?
    Â»Oh, äh ja, also warum denn so früh? Hat der Busfahrer später noch etwas vor?«, erkundigte ich mich höflich.
    Â»Ach was«, trötete Anneliese zurück und brachte wieder ihren Ellenbogen in Stellung. »Aber wir wollen doch sehen, wie in einer Fischfabrik gearbeitet wird, und die fangen da nun mal früh an.«
    Auch gut. Hatte ich wenigstens einen Grund, früh ins Bett zu gehen, dann wäre der erste Abend in dieser Einöde schon geschafft.
    Obwohl ich abends schon um neun im Bett gewesen war, war ich am nächsten Morgen todmüde. Genervt saß ich in der hässlichen Küche und versuchte, mit viel Kaffee wach zu werden. Da knallte Anneliese schon mit der Faust gegen mein Fenster und gestikulierte wild Richtung Schützenhaus. Blieb mir wohl nichts anderes übrig, als mich ihr anzuschließen. Es gab eine laute Begrüßung mit ungefähr zwanzig Schützenschwestern, und Anneliese stellte mich allen vor. Doch die Gesichter verschwammen alle, ich war viel zu müde. Ich nahm mir vor, den fehlenden Schlaf gleich im Bus nachzuholen. Doch kaum hatte ich einen Platz gefunden, quäkte laut eine Stimme durch die Lautsprecher, von denen einer direkt über meinem Sitz angebracht war: »Hallo, hallo, guten Morgen, die Damen. Hier spricht euer Busfahrer, der Günni. Die meisten von euch kennen mich ja, stimmt’s?«
    Ein lauter Chor von »Und ob das stimmt« und »Günni, hau rein« antwortete ihm.
    Â»Wir werden heute wieder viel Spaß zusammen haben, und wie immer starten wir mit …«
    Â» Ein Stern , ein Stern «, kreischte die aufgebrachte Menge.
    Ein Stern? Was war denn das nun wieder für eine dorfübliche Metapher? Hieß das, wir sollten Spaß haben, auch wenn es noch so früh morgens war, dass noch die Sterne am Himmel standen? Nein, leider hieß es das nicht, das wurde mir

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