Vollmeisen
gebrauchen«, und schon hatte sie mich am Arm gepackt und ins Haus gezogen.
»Ich habe da diesen Fernsehproduzenten getroffen, der hätte vielleicht eine Rolle für mich, in der Soap Verliebt in Wuppertal , ist das nicht irre?«
Klar, jeder war irre, der sich mit meiner Schwester einlieÃ.
»Na, das ist ja schön für dich, aber was soll ich dabei machen?«
»Mensch, nun tu doch nicht so blöd«, fuhr sie mich an.
Da war ja meine Schwester wieder.
»Du weiÃt doch, dass ich keinen Führerschein habe. Kannst du mich da nicht hinfahren? Ich ruf den eben mal an und frag, ob er jetzt Zeit hat, okay?«
Ich erklärte mich einverstanden. Als ob so ein Fernsehproduzent alles stehen und liegen lassen würde, nur weil Melinda ihn anrief.
Sie war schon auf dem Weg nach oben, als ich sie aufhielt. »Was ist denn jetzt schon wieder? Ich dachte, du wolltest telefonieren? Nimm doch das hier unten. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, weiÃt du?«
»Ja, ja. Ich telefoniere in meinem Zimmer, du hast so schlechte Schwingungen, du vermasselst mir noch alles.« Mit diesen Worten verschwand sie in ihrem Zimmer und zog die Tür besonders fest zu.
Schlechte Schwingungen, alles klar. Da sollte sie mal das Festkomitee fragen, die sahen das ganz anders.
Sobald Melinda ihr Telefonat erfolglos hinter sich gebracht hätte, würde ich mir die Spieldose schnappen und wieder verschwinden. Doch so erfolglos sah es nicht aus, sie hopste fröhlich die Treppe wieder runter und sagte: »Kann losgehen, er bringt gerade sein Auto in die Werkstatt. Wir holen ihn da ab, fahren ihn zurück zum Sender, und auf dem Weg kann ich mich mit ihm unterhalten.«
Die hatte aber auch immer ein Glück. »Gut, dann aber schnell jetzt, wie gesagt, ich hab heute noch einiges zu erledigen.«
Sie dirigierte mich durch die halbe Stadt, bis wir vor eine verlotterte Werkstatt in einem heruntergekommenen Viertel kamen. Städteplaner würden es wohl als »Stadtteil mit Potential« bezeichnen.
»Sag mal, kann der sich keine bessere Werkstatt leisten? Beeil dich bitte, die montieren mir hier ja die Reifen ab, während ich im Auto sitze.«
»Nein, du kannst nicht im Auto sitzen bleiben«, jammerte Melinda. »Was macht das denn für einen Eindruck? Wir gehen da jetzt beide rein und führen ihn dann zum Auto. So macht man das.«
Sie nahm noch einen unförmigen Rucksack vom Rücksitz und schob mich Richtung Werkstatt. Ich sagte dazu gar nichts mehr, dass meine Schwester nicht ganz dicht war, wusste ich schon seit Längerem. Von mir aus, dann geleitete ich den Typen eben zum Auto, Hauptsache, ich käme endlich zurück zu der Spieldose.
Melinda zog eine verrostete Tür auf und schob mich in die Werkstatt. In der Mitte stand ein schwerer Geländewagen, sonst war nichts zu sehen. Und auf einmal ging alles ganz schnell. Am Geländewagen wurden die Türen aufgerissen, und heraus sprangen drei Männer. Das heiÃt, zwei sprangen, einer kletterte eher unbeholfen. Und der war mir nur zu gut bekannt.
»Na Blondchen, man sieht sich da wieder. Einmal bist du von mir weggelaufen, aber ich weià mein Handwerk.«
Gleichzeitig packte einer seiner Kollegen Melinda und schob sie zu mir. Entsetzt starrte ich sie an. »Melinda! Du steckt mit denen unter einer Decke?«
Erst jetzt sah ich, dass der Typ ihr eine von Papas Rohrzangen aus der Hand nahm.
»Du mieses Schwein«, schrie sie meinen belgischen Freund Vincent an. »Du hast gesagt, du kommst allein.«
Der guckte gewohnt vergnügt. »Jaja, Verbrecherehre ist auch nicht mehr das, was mal war. Aber Schluss jetzt, rein in Wagen.«
Blitzschnell wurden mir die Hände in Handschellen gelegt. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass man mit Melinda genauso verfuhr. Sie zischte mir noch ein »Ich bin auch eine Geisel« zu, dann piekte es einmal in meinem Arm, und dann war alles nur noch schwarz.
Als ich langsam wieder zu mir kam, traute ich mich erstmal nicht, die Augen aufzumachen. Ich fing ganz vorsichtig an, mit dem groÃen Zeh zu wackeln. Das ging. Mutiger geworden bewegte ich erst die Beine, dann die Arme. Keine Fesseln. Gut, jetzt die Augen. Ganz vorsichtig öffnete ich sie und sah ein helles, kleines Zimmer, das einfach eingerichtet war. Ich lag auf einem Bett mit komisch hohen Kopf- und FuÃteilen. Daneben ein Nachtschrank und ein kleiner Kleiderschrank. Das Ganze wiederholte sich am
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