Vollmeisen
verbracht. Aber sonst war alles wirklich nett.
Nick verabschiedete sich am späten Sonntagnachmittag.
»Ich muss morgen früh kurz ins Präsidium. Wir haben um acht eine Besprechung, danach muss ich noch ein bisschen telefonieren, und dann komm ich wieder. Das heiÃt, morgen werden wir beide noch einmal über Simon reden, ist das klar?«
Ich lächelte ihn an. Und ob wir reden würden, nämlich über meine Beweise und die erstaunliche Art, wie ich es ganz allein geschafft hatte, den Fall zu knacken.
Nun musste ich nur noch ins Schützenhaus, um das erste Mal in meinem Leben an der Sitzung eines Festkomitees teilzunehmen.
Ich war ein bisschen spät dran, deswegen empfingen mich dort bereits laute Stimmen und aufgebrachte Diskussionen.
»Du kommst genau richtig«, empfing mich Anneliese. »Haltet mal alle die Klappe«, schrie sie in die Menge, »wir fragen jetzt mal Alice, dann haben wir eine neutrale Meinung. Was meinst du, sollen wir die Wände vom Schützenhaus mit sechzig Luftballons oder mit sechzig Luftgewehren schmücken?«
Alle sahen mich an, als wäre ich ihre letzte Rettung. Schönes Gefühl, so gebraucht zu werden, darum wollte ich sie auch nicht enttäuschen.
»Beide Ideen sind durchaus interessant, ja, das muss ich wirklich sagen. Und eigentlich habt ihr die Lösung doch schon selbst gefunden: Ihr hängt an die Wand sechzig Luftgewehre, und um jedes Luftgewehr wickelt ihr einen Luftballon.«
»Ja, Wahnsinn«, kreischte Susi, »das ist ja der Hammer, so machen wir das!«
Auch ihre Komiteeschwestern fanden die Idee einfach super. Vielleicht war das ja meine Bestimmung, vielleicht sollte ich Eventplanerin werden.
Die nächsten Punkte wurden schnell abgehakt, Kuchenlisten wurden herumgereicht, die Buchung des DJs bestätigt und der Verlauf des Schützenumzuges festgelegt. Alles blieb ruhig, bis der letzte Tagungspunkt dran war, die Einteilung, wer welche Aufgaben während des Festes übernahm.
»Den Kuchen sollte Dagmar verteilen, sie nimmt doch gerne die meisten Stücke«, trötete eine Frau in den Vierzigern, die ich als eine der Kabeljau-SchmeiÃerinnen identifizierte.
»Ach ja?«, kam es prompt von dem anderen Teil des Kabeljau-Duos zurück. »Ich nehme die meisten Stücke? Na ja, bei euch in der Sippe konnte ja noch nie einer richtig rechnen!«
Ich sah Anneliese fragend an.
»Das ist eine lange Geschichte«, flüsterte sie mir zu. »Die GroÃväter von Dagmar und Marion haben nach dem Krieg zusammen ihre Felder bewirtschaftet. Ging alles gut, bis Marions Opa den von Dagmar beschuldigt hat, ihn bei der Verteilung des Weizens zu behumsen. Na ja, und bis heute konnte niemand klären, ob er recht hatte oder nicht.«
»Verdorbene Brut eines Weizendiebes!«, schallte es von der anderen Seite des Tisches.
»Schlampe!«, kam es zurück.
»Einfach nicht drum kümmern«, flüsterte Anneliese wieder, »die hören gleich auf, denn im Schützenhaus darf sich nicht geprügelt werden, steht so in der Satzung.«
Na, dann ist ja gut. Tatsächlich flogen nur noch ein paar Beschimpfungen durch die Luft, man einigte sich wie jedes Jahr darauf, Platten mit Kuchen auf die Tische zu stellen, und danach endete die Sitzung.
Am Montagmorgen legte ich Nick einen Zettel auf den Küchentisch, dass ich einen Friseurtermin hätte und erst am frühen Nachmittag wieder zurück wäre. Und endlich konnte ich losfahren. Auf der DorfstraÃe informierte ich noch ein paar Frauen, die dort tratschend zusammenstanden, dass ich mir die Haare schneiden lasse, und gab Gas.
Mein Timing war perfekt, gegen elf Uhr stand ich vor dem Haus meiner Eltern. Mein Vater wäre in der Werkstatt, meine Mutter im Tupper -Einsatz, das Haus würde mir allein gehören. Doch kaum stand ich vor der Haustür, wurde diese schon aufgerissen, und Melinda stand vor mir.
»Ach, Alice, wie schön, dich zu sehen! Wo warst du denn die ganze Zeit?«, empfing sie mich überschwänglich.
Was war denn mit der los? Hier war definitiv irgendwas faul. So viel Herzlichkeit mir gegenüber war in Melindas DNA nicht verankert.
»Hallo«, gab ich vorsichtig zurück, »ich will nur ein paar Sachen holen, und dann bin ich schon wieder weg. Ich muss Drehorte suchen, weiÃt du?«
»Ach bitte, bleib doch noch ein bisschen. Jetzt könnte ich zur Abwechslung mal deine Hilfe
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