Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schroeder
Vom Netzwerk:
Bad.
    Das kalte Wasser tat gut. Im Wechsel mit heißem brachte es ihren Kreislauf wieder auf Trab. Gut fünf Minuten hielt sie so durch, dann seifte sie sich gründlich ein. Jolin versuchte, nicht an Rouben zu denken. Es würde sie nur wieder aufs Neue durcheinanderbringen. Mittlerweile war ihr ohnehin klar, was sie tun musste, und sie würde es so schnell wie möglich hinter sich bringen. Als sie die Dusche wieder aufdrehte, um den Schaum aus ihren Haaren und von ihrem Körper zu spülen, hörte sie, wie die Tür aufging. Jolin stockte das Herz. »Wer ist da?«, rief sie und rieb sich hektisch das Wasser aus den Augen.
    »Was tust du da?« Es war Paulas Stimme. Sie klang müde und krächzig. »So früh!«
    Jolin atmete auf. Was hatte sie nur gedacht? Dass Rouben als schwarzer Schatten in ihr Zimmer gekrochen und von dort ins Bad geschlichen war? Himmel nochmal! Das hier war kein Roman. Und sie war keine adlige Baronesse aus dem vorletzten Jahrhundert, sondern ein ganz normales Mädchen, das in einem Mehrfamilienhaus in einer Großstadt lebte. Man schrieb das Jahr 2008! Fast hätte sie laut herausgelacht. »Ich konnte nicht mehr schlafen«, log sie stattdessen. »Außerdem muss ich noch was für Englisch vorbereiten.« Sie stellte das Wasser ab und zog den Vorhang beiseite. Paula trug einen ihrer geblümten Flanellschlafanzüge. Sie stand neben dem Waschbecken, gähnte und sah ihre Tochter dabei unverhohlen an.
    »Wie schön du geworden bist.«
    »Mama!« Hastig griff Jolin nach ihrem Handtuch, das sie auf den kleinen Hocker neben der Dusche gelegt hatte.
    »Aber es stimmt doch.« Paula hob die Schultern. »Ich hab dich jetzt schon so lange nicht mehr unbekleidet gesehen. Du hattest ja schon immer einen hübschen Körper, aber jetzt ...«
    »Mama!«, sagte Jolin noch einmal. Sie spürte, wie sie errötete. »Das sagst du doch nur, weil ich deine Tochter bin.«
    Paula hob die Augenbrauen. Ein verschlafenes, aber dennoch verschmitztes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Wenn du meinst«, sagte sie und gähnte ein drittes Mal. »Ich glaube, ich mach uns mal Frühstück.«
    »Ach Quatsch«, sagte Jolin. »Leg dich wieder hin.«
    Sie wusste, dass ihre Mutter das nicht tun würde. Und weil sie Paula nicht so lange allein in der Küche warten lassen wollte, beeilte sie sich mit dem Abtrocknen, cremte sich hastig ein und band ihre nassen Haare mit Paulas dünnem Gummi zu einem Knoten zusammen. Ihr eigenes hatte sie leider immer noch nicht wiedergefunden. Jolin betrachtete ihren Oberkörper kopfschüttelnd im Spiegel, dann schlüpfte sie in ihren Bademantel und trat in die Diele hinaus. Ein eiskalter Luftzug kam ihr entgegen, verschwand allerdings sofort wieder, sodass Jolin glaubte, ihn sich nur eingebildet zu haben.
    In der Küche war es mollig warm. Es duftete nach Kaffee und geröstetem Brot.
    »Magst du ein Ei?«, fragte Paula.
    »Mach doch nicht so viel Aufhebens«, sagte Jolin. Sie öffnete die Kühlschranktür und nahm die Aufschnittdose und die Kirschmarmelade heraus.
    »Du weißt genau, dass ich das gerne tue«, erwiderte Paula. »Also ...«
    Jolin lächelte. »Also gut«, sagte sie und verteilte Wurst-und Käsescheiben auf einem Holzbrett.
    »Ich glaube, du weißt nicht einmal, wie glücklich ich bin«, fuhr ihre Mutter unterdessen fort. Sie öffnete die Tür des Unterschranks neben dem Herd, holte einen kleinen Henkeltopf heraus und füllte ihn mit Wasser.
    Jolin blickte sie überrascht an. »Wie meinst du das?«
    »Ganz genau so.« Paula lächelte. Ihre dunklen Haare waren zerzaust, und ihre Haut weiß und ein wenig knitterig. Aber ihre Augen strahlten wie die eines Kindes, das zum ersten Mal einen Weihnachtsbaum sieht. »Ich hätte nie gedacht, dass das Leben mich nochmal so überraschen würde. Ich habe wirklich geglaubt, ich wäre zufrieden.«
    Jolin zuckte die Schultern. Sie dachte ungern über solche Dinge nach. Trotz aller Unzufriedenheit hatte ihr das Leben ruhig und unaufregend immer noch am besten gefallen. Ja, aus der momentanen Perspektive heraus betrachtet, wäre es ihr in der Tat am liebsten gewesen, wenn sie die Zeit nach dem achten November noch einmal hätte erleben können, und zwar ohne dass Rouben auf ihre Schule gekommen wäre.
    »Und alles wegen dieser Fernsehkochgeschichte?«, fragte Jolin ungläubig.
    »Allerdings«, sagte Paula. Sie platzierte einen Deckel auf dem Topf und stellte die Herdplatte an. »Genau deshalb.« Sie legte ihre Hände auf Jolins Schultern, drückte sie sanft auf

Weitere Kostenlose Bücher