Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schroeder
Vom Netzwerk:
nicht verhindern, dass ihr Herz-schlag sich verdoppelte, als sie die Rolltreppe betrat und zum Bahnsteig hinunterfuhr. Auf den ersten Blick war Rouben nirgends zu sehen. Jolin lief an den Glaskästen entlang und umrundete den Kiosk. Plötzlich stand er vor ihr. »Auch so früh?«
    Jolin erschrak. Sie machte einen Schritt zurück und sah auf den Becher Kaffee, den er in der Hand hielt.
    Rouben lächelte. Er hielt ihr den Becher hin. »Möchtest du? - Ich hol mir dann noch einen.«
    Jolin schüttelte den Kopf. »Rouben«, sagte sie. Alles andere hatte sie vergessen. »Es geht so nicht weiter«, sagte sie schließlich.
    »Was meinst du?«
    »Alles.«
    Rouben senkte den Kopf und blickte auf den Becher und den in feinen tanzenden Schlieren aufsteigenden Dampf. »Ich weiß, du hast dir vorgenommen, mir aus dem Weg zu gehen«, begann er. »Wahrscheinlich bist du deswegen so früh, damit du eine Bahn vor mir erwischst. Das Problem ist nur ...« Er sah wieder auf und blickte ihr nun direkt in die Augen, »... es gelingt dir nicht.«
    Jolin stockte der Atem. Sie wollte etwas erwidern, doch sie wusste nicht, was. Sie verstand ja nicht einmal, wie er es gemeint hatte, und sie wollte auch nicht darüber nach-denken. Sie wollte die Sache einfach hinter sich bringen.
    »Klarisse will dich sehen«, presste sie hervor.
    »Ach ja ...?«
    »Am siebten. Sie will ein Date mit dir am siebten Dezember.«
    »Freitagabend?«
    Jolin nickte.
    »Und wenn ich nicht will?«, erwiderte Rouben.
    Jolin starrte auf den Becher in seiner Hand und beschloss, die Provokation zu wagen. »Sie hat das Foto gemacht, Rouben. Sie weiß, wer du bist. Und ich - ich weiß es auch«, brach es aus ihr hervor.
    »Sei still!«, zischte Rouben. »Die Leute ...!«
    Die Leute! Die waren Jolin doch egal. »Du hast die Hunde getötet!«, hörte sie sich keifen. »Und du hast Carina in den Wahnsinn getrieben! Du bist ein Vampir!«
    In diesem Moment klatschte der Becher auf den Boden, der Kaffee ergoss sich über Jolins Stiefel und spritzte ihr bis zu den Oberschenkeln hinauf.
    »Sei still!« Rouben hatte ihren Nacken umfasst. Sein Gesicht war plötzlich sehr nah bei ihrem. Jolin spürte seinen Atem auf ihrer Wange. Er war kühl und hatte keinen Geruch. »Bitte, sei endlich still«, flehte Rouben.
    Jolin verstummte. Mit einem Schlag wurde ihr klar, in welch fataler Situation sie sich befand. Es bedurfte nur noch einer winzigen Bewegung, und Rouben würde seine Zähne in ihre Halsschlagader bohren können. Die Leute auf dem Bahnsteig würden keinen Verdacht schöpfen. Für sie würde es so aussehen, als ob er sie küsste.
    »Warum nimmst du dir nicht einfach Klarisse und gehst wieder fort?«, wimmerte Jolin.
    »Weil es anders ist, als du denkst«, erwiderte Rouben. Sein Griff lockerte sich. Er bog den Kopf zurück und sah ihr direkt in die Augen. »Ganz anders.«
    »Lüg mich nicht an«, krächzte sie. »Ich weiß, dass du mich verfolgst. Du haust in unserem Keller. Im Treppenhaus. Im Nachbareingang. Warum hast du mich nicht schon längst ...?« Jolin brach ab. Sie brachte es einfach nicht über die Lippen. Und sie konnte Rouben auch nicht mehr ansehen. Der Blick seiner dunklen Augen war tief und unergründlich, fremd und vertraut zugleich, und er löste eine heftige, bisher nicht gekannte Sehnsucht in ihr aus. Jolin hatte das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Und das machte ihr Angst. Sollte Klarisse doch so verrückt sein! Sie war es jedenfalls nicht. Sie wollte leben!
    Rouben löste seine Hand aus ihrem Nacken. »Es ist alles ganz anders«, sagte er, während er einen Schritt zurückmachte. »Ich werde es dir ... beweisen.«
    »Wann?«
    »Freitagnacht.«
    »Bevor oder nachdem du dich mit Klarisse getroffen hast?«
    »Ich werde sie nicht treffen«, sagte Rouben.
    Jolin schwieg. Ihr Herz klopfte laut, aber ihr Kopf war leer. Sie spürte den inneren Widerstand, aber sie konnte ihn nicht in Worte fassen.
    »Bitte sei um zehn Uhr vor deiner Haustür«, sagte Rouben. »Ich werde dich abholen.«
     
    Völlig verwirrt und aufgewühlt stieg Jolin in die U-Bahn. Sie steuerte einen freien Platz an und setzte sich. Was sollte sie jetzt Klarisse sagen? Dass Rouben sie nicht treffen wollte? - Ausgeschlossen! Dass sie noch keine Gelegenheit gehabt hätte, mit ihm zu reden? - Schon eher. Oder dass sie Freitagabend um zehn Uhr zu ihr kommen und vor ihrer Haustür auf ihn warten sollte? - Sinnlos! Rouben würde dem Fahrer des schwarzen C6 ein Zeichen geben, und dann würden sie Klarisse

Weitere Kostenlose Bücher