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Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schroeder
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leid.« Leonhart lächelte, aber Jolin konnte ihn nicht richtig ansehen, ihre Augen brannten einfach zu sehr. Fahrig zog sie den Reißverschluss ihres Steppmantels hoch und schob die Riemen der Umhängetasche auf ihrer Schulter zusammen. »Mir ist nicht gut«, sagte sie.
    »Du siehst auch nicht besonders gut aus.«
    »Vielen Dank.«
    »So habe ich das nicht gemeint«, erwiderte Leonhart hastig. »Nur, dass man dir ansieht, dass es dir nicht...« »Was?«
    »Na ja, du bist so blass. Fast so bleich wie Rouben.«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte Jolin. Vielleicht hatte Klarisse das Foto ja doch schon herumgezeigt. Oder ganz einfach ihre Klappe nicht immer gehalten.
    »Nichts«, sagte Leonhart. »Ich mein nur so ...«
    »Aha.« Jolin nickte ihm zu und setzte sich zögernd in Bewegung. Sie fand es nett, dass er sich um sie sorgte, aber lieber wäre sie allein geblieben. »Ich glaube, ich fahre nach Hause«, sagte sie.
    Leonhart nickte. »Weißt du eigentlich ...?«
    »Ja ...?« Jolin blieb stehen und blickte ihn fragend an.
    »... wie es Carina geht?«
    »Nein.« Jolin schüttelte den Kopf. »Aber ich glaube, nicht gut.«
    »Sie muss irgendetwas Schreckliches erlebt haben«, sagte Leonhart.
    »Ja, angeblich hat sie einen Mann gesehen. Vielleicht wollte er sie ...« Jolin brach ab. Sie wusste, dass es nicht so war.
    Leonhart senkte den Kopf. »Ich hatte ihr angeboten, sie nach Hause zu bringen. Aber sie hat gesagt, dass das nicht nötig sei.«
    »Und jetzt fühlst du dich schuldig?«
    »Bin ich ja auch«, sagte er. »Irgendwie.«
    »Du konntest doch nicht ahnen, dass so etwas passiert«, erwiderte Jolin. »Niemand weiß so etwas vorher.«
    »Es war nach zwölf«, sagte Leonhart. »Und es war stockdunkel. Ein Mädchen sollte da nicht alleine durch die Gegend laufen.«
    Jolin sah ihn an. »Seid ihr seit der Party eigentlich zusammen?«, fragte sie.
    »Nicht wirklich«, erwiderte Leonhart.
    »Aber du magst sie?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ja, schon.«
    »Dann besuch sie doch mal ...«
    »Das kann ich nicht. Irgendwie krieg ich das nicht hin.«
    Jolin nickte. Plötzlich war ihr kalt, obwohl das Gebäude gut geheizt war und sie ihren dicken Mantel trug. Sie konnte Leonhart verstehen. Sie fühlte sich ebenso schuldig wie er, und sie dachte auch nicht daran, Carina zu besuchen. Jolin wollte sie nicht sehen, so einfach war das. Und trotzdem: Das Gespräch mit Leonhart hatte alles wieder aufgewühlt. Mit Beklemmung stellte Jolin fest, dass es nicht so leicht war, die ganze Geschichte aus dem Bewusstsein zu drängen und zu hoffen, dass sie irgendwann in Vergessenheit geriet. Es half nichts. Sie musste Rouben danach fragen. Ohne eine Antwort auf diese Frage würde sie gar nicht erst in sein elegantes schwarzes Auto steigen.
     
    Bis zum späten Nachmittag des 7. Dezembers hatte Jolin das Gefühl, krank zu werden. Sie spürte wieder diese Hitze, die schon einen Monat zuvor zuerst in ihr Zimmer und anschließend in ihren Körper gekrochen war, kurz nachdem sie entschieden hatte, nicht auf Klarisses Party zu gehen. Heute Nacht würde sie Rouben die entscheidenden Fragen stellen. Und sie würde nicht eher Ruhe geben, bis er ihr alle beantwortet hatte. Dieser feste Entschluss ließ die Hitze aus ihrem Körper verschwinden. Sie legte sich aufs Bett und nickte für eine Weile sogar richtig weg.
    Gegen halb sieben hörte sie, wie ihre Mutter aus dem Haus ging. Paula Johansson war zu einem Arbeitsgespräch eingeladen worden, das der Intendant des Fernsehsenders und der Produzent der geplanten Kochshow mit ihr führen wollten. Für Gunnar und Jolin hatte sie bereits am Vormittag einen Reissalat zubereitet und in den Kühlschrank gestellt. Um kurz vor sieben nahm Jolin sich eine kleine Portion davon und setzte sich ins Wohnzimmer vor den Fernseher, um die ZDF-Nachrichten anzusehen. Der Schwerpunkt lag auf den üblichen Attentaten im Irak und im Gazastreifen und Berichten über die zähflüssigen Verhandlungen, die das Transatlantische Bündnis mit der syrischen Regierung in Damaskus und dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad unterhielten. Ansonsten gab es keine besonderen Ereignisse.
    Jolin stellte den halb leer gegessenen Teller auf den Wohnzimmertisch und blickte zum Fenster hinüber. Paula hatte die Vorhänge noch nicht zugezogen. Der Himmel war pechschwarz und die Häuserzeile auf der gegenüberliegenden Straßenseite kaum zu erkennen. Selbst das Licht der Straßenbeleuchtung ließ sich nur schwach erahnen. Es schien fast

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