Vollmondkuss
Party?«
»Nein.«
»Warum behauptet sie es dann?«
»Das weiß ich nicht.«
»Rouben, ich habe dich auch gesehen. Ganz in der Nähe des Ortes, den sie beschrieben hat.«
»Das kann nicht sein«, erwiderte er.
»Wieso nicht?«
»Weil ich zu Hause war.«
»Aber mir hast du etwas anderes gesagt«, entgegnete Jolin. »Du wolltest noch in der Stadt bleiben.«
»Bin ich aber nicht«, sagte Rouben. Er legte seine Hand auf die freie Fläche der Rückbank. »Willst du nicht endlich einsteigen?«
Nein, wollte Jolin antworten, tat es aber nicht.
»Wenn du ohnehin kein Vertrauen hast ...«, sagte Rouben. In seinen Augen war wieder dieses Funkeln, was auch immer es zu bedeuten hatte. Jolin zwang sich, nicht mehr darüber nachzudenken. Entweder sie tat es, oder sie tat es nicht. Letzteres würde sie möglicherweise bereuen. Außerdem war die Neugier stärker. Kurz entschlossen schob sie sich auf den Sitz und zog die Tür zu. Der Wagen setzte sich sofort in Bewegung, ohne dass Rouben dem Fahrer eine Anweisung gegeben hatte. Offenbar wusste er, wohin die Reise gehen sollte.
»Mir wäre es am liebsten, wenn du mir jetzt, während der Fahrt, schon alles erklären würdest«, sagte Jolin ohne ihn anzusehen.
»Das geht nicht«, erwiderte Rouben.
»Muss ich das verstehen?«
»Nein. Aber ich hoffe, dass du es verstehen wirst. Nachher, wenn alles vorbei ist.«
»Was?«, presste Jolin hervor. »Wenn was vorbei ist?« Von einer Sekunde auf die andere klebte ihr die Angst im Nacken. Und als Rouben nicht antwortete, schrie sie los: »Wohin fahren wir überhaupt?«
»Das wirst du schon sehen«, erwiderte er ruhig.
Jolin keuchte. Sie kam sich hysterisch vor. Albern und dumm. Warum konnte sie nicht einfach cool bleiben? Wieso ließ sie es immer wieder zu, dass Rouben ihr seine Überlegenheit zeigen konnte?
»Ich weiß, wer du bist«, sagte sie und bemühte sich, unaufgeregt zu klingen. »Ich habe Harro Greims gut gekannt. Früher bin ich fast jeden Tag bei ihm gewesen und habe seinen Geschichten gelauscht. Er hat mir von seiner großen Liebe erzählt. Sie war eine Rumänin.«
Obwohl ihr das Reden guttat, brach Jolin an dieser Stelle ab, um Roubens Reaktion zu beobachten. Doch er saß einfach nur da und blickte am Fahrer vorbei auf die Straße hinaus.
»Du bist auch aus Rumänien«, sagte Jolin. »Dein Name ...«
»Mein Name hat keine Bedeutung«, unterbrach Rouben sie. »Jedenfalls keine wirkliche. Und ich bin auch nie in Rumänien gewesen.«
Jolin sah ihn von der Seite an. Sie wusste einfach nicht, ob sie ihm glauben sollte. »Sie muss sehr schön gewesen sein«, fuhr sie fort, ohne auf seine Bemerkung einzugehen. »Sie hat sich für alte Schlösser und Burgen und für Fledermäuse interessiert. Eines Tages ist sie einfach verschwunden.«
»Bist du sicher?«, fragte Rouben. Er wandte Jolin sein Gesicht zu. Seine Augen funkelten immer noch, aber seine Züge wirkten ungewohnt weich.
»Was meinst du?«, erwiderte Jolin. Sie fixierte ihre Finger.
»Dass sie einfach verschwunden ist ... Bist du dir da sicher?«, fragte Rouben.
Jetzt sah Jolin ihn auch an. »Kennst du Harro Greims?«, fragte sie. »Ist er ... ? Bist du ... ?«
»Nein«, sagte Rouben. Er wandte sich wieder der Frontscheibe zu. »Ich weiß nicht viel über ihn.«
Jolins Herz machte einen Sprung. Endlich! Er hatte zugegeben, dass Harro Greims kein Fremder für ihn war. Zumindest hatte er von ihm gehört. Es gab also wirklich eine Verbindung. Zwischen ihm und ihr!
»Warum sagst du mir nicht endlich, wer du bist?«, fragte sie leise.
»Vielleicht, weil ich es selber nicht genau weiß«, erwiderte Rouben.
»Und was willst du von mir?«, entgegnete Jolin noch leiser. »Oder weißt du das auch nicht?«
»Doch«, sagte Rouben.
Ein feiner Schauder rann über Jolins Rücken. »Kannst du dem Fahrer sagen, dass er umdrehen soll«, bat sie. »Ich möchte wieder zurück.«
»Wirklich?«
»Ja.«
»Dann willst du also nicht wissen ... ?«
»Was?«, stieß sie hervor.
Rouben seufzte leise. »Jolin«, sagte er. Es klang anders als sonst. Weicher. Gefühlvoller. Fast ein bisschen sehnsüchtig. »Manche Dinge sind nicht wie Mathematik. Man kann sie nicht erklären. Man muss sie sehen und spüren, um sie zu begreifen.«
Jolin wollte etwas erwidern. Sie musste sich wehren gegen das, was hier passierte.
»Ich könnte es dir sagen«, fuhr Rouben fort. »Aber dann würdest du es mir wahrscheinlich nicht glauben. Und deshalb möchte ich ...«, plötzlich spürte sie
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