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Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schroeder
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seine Fingerkuppen auf ihrem Handrücken, »... wünsche ich mir so sehr, dass du mitkommst.«
    Aber ich will nicht!, dachte Jolin. Sie reckte den Hals und versuchte eine Ampel auszumachen, die im nächsten Moment auf Rot springen würde. Dann müsste der Wagen anhalten, und sie könnte vielleicht die Tür aufdrücken und wegrennen. Wenn Rouben ihr nicht folgte ... Wenn er sie überhaupt jemals wieder zurückließ! Mit einem Schlag wurde Jolin klar, dass sie einen Denkfehler gemacht hatte. Schon möglich, dass an diesem Abend keine Gefahr von ihm ausging, aber was war mit morgen, was mit den folgenden Abenden und Nächten? Schonungslos drang ihr eine entsetzliche Tatsache ins Bewusstsein: Sie war Rouben körperlich unterlegen. Ihm und seinem Fahrer erst recht. Die beiden Männer konnten sie mühelos verschleppen. Sie konnten Jolin einsperren irgendwo in einer einsamen Burg, in deren Nähe sich niemand verirrte. Und dann konnten sie in aller Seelenruhe abwarten, bis die Neumondnacht verstrichen war, und über sie herfallen.
    Jolin ließ ihren Kopf zurücksinken. Sie saß in der Falle. Rote Ampeln gab es nicht mehr. Der Fahrer hatte den Wagen auf die Stadtautobahn gelenkt. Sie fuhren ostwärts.
    »Der Sonne entgegen«, sagte Rouben leise.
    Jolin hörte es nicht. Sie hörte nur noch das Pulsieren des Herzschlags in ihren Ohren, und sie spürte, wie das Grauen ihre Seele und ihren Körper lähmte. So als ob es noch etwas gegen ihr bevorstehendes Schicksal ausrichten könnte, hielt sie die Augen gewaltsam geöffnet, starrte gegen den Autohimmel und versuchte sich nicht vor-zustellen, wie ihre Eltern reagierten, wenn sie erfuhren, dass man den toten Körper ihrer Tochter ausgesaugt in einer alten Burgruine gefunden hatte.
     
    Es war keine Ruine, sondern ein einfaches Haus. Und genau, wie Jolin befürchtet hatte, lag es weitab vom Stadtrand vollkommen einsam auf einem kleinen Hügel. Nachdem sie die Autobahn verlassen hatten, waren sie noch einige Kilometer über die Landstraße gefahren und schließlich in einen Waldweg abgebogen, der direkt auf dieses Haus zuführte. Es war zweigeschossig, seine Fenster wirkten wie hohle Augen und das Dach wie ein eingeschlagener Schädel, in dem noch ein paar letzte Nervenreflexe tobten. Ja, Jolin sah Licht in der Wunde aus zertrümmerten Schindeln und morschen Dachbalken. Und plötzlich schöpfte sie wieder Hoffnung: Jemand erwartete sie. Vielleicht war es Harro Greims!
    Der Fahrer stoppte den Wagen direkt neben einem Gartentor, das nur noch aus einigen wenigen kompletten Latten bestand. Die Beschläge schienen verrostet zu sein, es hing windschief in den Angeln und schlug im Wind leise quietschend hin und her.
    Der Fahrer stellte den Motor aus.
    »Du brauchst nicht zu warten«, sagte Rouben zu ihm.
    Wie lange bleiben wir denn?, lag es Jolin auf der Zunge zu fragen, doch sie verkniff es sich. Sie würde sowieso keine Antwort bekommen.
    »Warte einen Moment.« Rouben nickte ihr zu. Dann stieg er aus, umrundete den Wagen und öffnete die Tür auf ihrer Seite. »Bitte ...« Er reichte ihr seine Hand, die Jolin nach kurzem Zaudern schließlich ergriff. Wenigstens benimmt er sich wie ein Gentleman, dachte sie und stellte überrascht fest, dass so etwas wie Sarkasmus in ihr hochkam. Es fühlte sich nicht verkehrt an, ein bisschen war es sogar so, als ob es ihr einen Teil ihrer Würde zurückgab.
    »Und?«, fragte sie, nachdem sie ausgestiegen war und Rouben die Tür zugedrückt hatte. »Wo und wann gedenkst du mich in den Hals zu beißen und mir das Blut auszusaugen?«
    Roubens Brauen hoben sich. Einen kurzen Moment lang wirkte er belustigt. Dann zuckte er mit den Schultern. »Hab ich mir noch nicht so genau überlegt«, sagte er. »Eigentlich wollte ich dir zuerst mal das Haus zeigen.«
    Er hielt ihr das Gartentor auf. Eilig schlüpfte Jolin an ihm vorbei und blieb stehen. Sie konnte es nicht ertragen, ihn im Rücken zu haben. »Gehst du vor?«
    »Hast du keine Angst, dass hier noch mehr Vampire sein und dich überfallen könnten?«, erwiderte er. »Meine Eltern zum Beispiel? Oder meine Geschwister?«
    »Hast du denn welche?«, fragte Jolin.
    Rouben antwortete nicht, sondern legte nur sanft seine Hand auf ihren Rücken. »Komm, wir gehen zusammen.«
    Jolin sah ihn an. Irgendetwas, das sie nicht ergründen konnte, war anders in seinem Gesicht. Sie zwang sich, nicht darüber nachzugrübeln, was es war. »Wer erwartet uns dort?«, fragte sie stattdessen. Sie deutete auf das Loch im

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