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Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schroeder
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neigenden Knochen durch die Räumlichkeiten bewegen.«
    »Na super«, sagte Karsten, und auch die anderen Kursteilnehmer schienen wenig begeistert zu sein. Jolin ging es nicht anders. Zwar hatte sie den Winter schon immer lieber gemocht als den Sommer, und sie hatte auch gar nichts dagegen, lange Wanderungen durch verschneite Wälder zu machen, die Vorstellung, mit zwanzig kichernden Zwölftklässlern eine kleine Burgruine zu durchstreifen, fand sie jedoch wenig erquicklich. Trotzdem würde es ihr nicht einfallen, an diesem Tag zu fehlen.
     
    In der Pause fing Klarisse Jolin am Treppenaufgang ab. »Dir ist ja wohl klar, was jetzt fällig ist«, fauchte sie. Sie trug ein hautenges Lacklederminikleid und schwarze Spitzenstrumpfhosen. Ihre Beine endeten in violetten Schnürpumps, und ihre lange Mähne hatte sie nachlässig auf dem Hinterkopf zusammengesteckt. Ihre dunklen Augen funkelten giftig unter dem schwarzen Lidstrich hervor.
    »Lass mich in Ruhe«, sagte Jolin. »Du kannst mir gar nichts.«
    Klarisse presste die Zähne zusammen. »Dir vielleicht nicht, aber deinem Rouben«, zischte sie.
    Er ist nicht mein Rouben, wollte Jolin erwidern, doch dann entschied sie sich anders. »Was kann ich dafür, dass er dich nicht wollte?«, erwiderte sie.
    Klarisse kniff die Augen zusammen. »Warum ist er heute nicht hier?«, fragte sie lauernd. »Hast du ihn etwa gewarnt?«
    »Wovor?«
    »Ach, komm, das weißt du ganz genau.«
    »Du spielst doch nur ein Spiel, Klarisse, das ist alles. Nichts von dem, was du über Rouben in die Welt setzt, ist wahr.« Jolins Stimme geriet ins Flattern, und sie hoffte, dass Klarisse es nicht merkte.
    »Du musst es ja wissen«, sagte sie.
    Jolin stöhnte leise. Sie hatte keine Lust, mit Klarisse oder sonst jemandem zu reden. Schon gar nicht über Rouben. »Vergiss ihn endlich«, sagte sie.
    »Das hättest du wohl gern«, erwiderte Klarisse.
    Jolin schüttelte genervt den Kopf und wollte an ihr vorbei in Richtung Cafeteria gehen, doch Klarisse hielt sie am Arm fest.
    »Was willst du denn noch?«, fragte Jolin ungeduldig. »Du hast doch überhaupt keine Ahnung.«
    »Aber du, was?«
    Jolin seufzte. »Verstehst du denn nicht? Manche Dinge kann man eben nicht beeinflussen. Nicht mal du könntest es.«
    »Ach ja, Fräulein Oberschlau?«
    Die Mädchen sahen einander abschätzend an. Jolin versuchte, Klarisses arrogantem Blick zu widerstehen, und es gelang ihr auch, doch plötzlich streckte die Stufenkameradin ihre Hand aus und ergriff Jolin am Mantelkragen. »Los, zeig mir deinen Hals!«
    »Was soll das?« Jolin drückte ihren Arm weg. »Gestern Nacht war Neumond, das weißt du genau.«
    »Er könnte dich tatsächlich schon vorher gebissen haben«, erwiderte Klarisse.
    »Und du denkst, dann würde ich hier immer noch lustig herumlaufen und mir die Sonne ins Gesicht scheinen
    lassen?«
    Klarisse schob die Unterlippe vor. »Erst nach dem dritten Biss wird man zu einem Vampir«, sagte sie. »Und erst dann zerfällt man in der Sonne zu Staub.«
    »Aha«, entgegnete Jolin. »Dann kann Rouben also gar kein Vampir sein.«
    »Das hätte ich auch niemals behauptet«, erwiderte Klarisse zu ihrer großen Überraschung. »Zumindest ist Rouben nicht reinrassig. Reinrassige Vampire haben weder ein Spiegelbild noch sind sie auch nur ansatzweise auf fotografischen Aufnahmen zu erkennen.«
    In diesem Moment wurde Jolin klar, dass Klarisse die Fotos nicht manipuliert hatte. Womöglich hatte die Stufenkameradin noch viel eher geahnt als sie selbst, dass Rouben eine Art Vampir sein musste. Doch im Gegensatz zu Jolin hatte Klarisse diese Ahnung nicht verdrängt, sondern so lange und zielgerichtet nachgeforscht, bis sie für sie zur Gewissheit geworden war. Dass Anna, Rebekka, Susanne und alle anderen um sie herum glaubten, sie würde nur eine Story daraus machen und die ganze Geschichte groß aufbauschen, bereitete ihr nebenbei garantiert ein ganz besonderes Vergnügen.
    »Und? Was schließt du daraus?«, fragte Jolin. »Dass es ungefährlich ist, mit ihm zu flirten?« Es sollte verächtlich klingen, aber das tat es nicht wirklich. »Wenn das tatsächlich so wäre, hieße das, dass hier irgendwo in der Stadt noch ein echtes Exemplar herumläuft. Eines, das Hunde aussaugt. Und wer weiß«, fügt sie provokativ hinzu, »vielleicht ist Rouben gar kein Halbvampir, sondern einfach bloß noch nicht ganz untot.«
    »Auch das glaube ich nicht«, erwiderte Klarisse.
    »Meinetwegen kannst du glauben, was du willst«, sagte Jolin. Sie

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