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Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schroeder
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war dieses Gespräch leid und wollte so schnell wie möglich raus auf den Pausenhof und endlich frische, klare Luft atmen. Doch Klarisse deutete ihre Unwilligkeit offenbar als Unsicherheit. »Ich werde herausfinden, was mit ihm ist«, sagte sie kühl. »Darauf kannst du dich verlassen.«
    Jolin antwortete nicht mehr darauf. Sie trat zur Seite und lief kommentarlos an Klarisse vorbei durch die Pausenhalle und auf den Eingang der Cafeteria zu.
    »Hat er dich gebumst?«, hörte sie Klarisse laut hinter sich herrufen.
    Es traf Jolin wie ein Pfeil in den Rücken, doch sie bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen. Sie zuckte nicht einmal zusammen, und nur demjenigen, der sie in dieser Sekunde beobachtete, hätte die leichte Verzögerung in ihrem nächsten Schritt überhaupt auffallen können.
    »Ist es das, was du wolltest?«, brüllte Klarisse. »Dass er dich bumst und dann fallen lässt wie eine heiße Kartoffel? Das hat er doch, oder?« Sie lachte und Jolin wäre gerne schneller gegangen, aber sie wollte nicht klein beigeben. Das hatte sie lange genug getan. Jetzt war endgültig Schluss damit. Klarisses Gehässigkeiten musste sie also wohl oder übel in Kauf nehmen. »Ich kenne diese Kategorie, Jolin Johansson!«, schrie sie nun, und ihre Stimme überschlug sich fast dabei. »Graumaus als Vorspeise, als Hauptgericht etwas Üppiges und danach ein nicht enden wollender süßer Genuss zum Nachtisch. Und der, meine Süße, werde ich sein. Worauf du literweise Zyankali saufen kannst!«
     
    original message
    from: antonin
    to: r. v. ([email protected])
    subject: klarisse
     
    wir dürfen diesen kleinen schwarzen teufel nicht unterschätzen, antonin
     

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    from: r. v.
    to: [email protected]
    subject: re: klarisse
     
    das tun wir nicht, vater, ich verspreche dir, sie bekommt, was sie sich wünscht, und davon mehr, als sie sich jemals erträumt hat.
    r. v.
     
     
    original message
    from: antonin
    to: r. v. ([email protected])
    subject: re: klarisse
     
    und wann bringst du mir endlich meine kleine jolin?

 
15
    In den Hochhäusern nahe der Containersiedlung stehen einige Wohnungen leer. Ramalia hat kein Problem, eine dunkle und sichere Behausung zu finden. Quälend sind nur die Nächte, in denen die Sehnsucht nach Harros Liebe an ihrem Herzen zehrt. Die Versuchung ist groß, doch sie widersteht ihr, einzig und allein ihres gemeinsamen Sohnes zuliebe. Sie weiß, dass Antonin ihr niemals vergeben und eines Tages womöglich sein Pfand verlangen wird. Dieses Pfand könnte das Mädchen sein. Denn Antonin dürfte nicht verborgen geblieben sein, dass Jolin nicht nur Harro, sondern auch Rouben gefällt. Ramalia ahnt, welches Spiel er mit ihr, mit ihnen allen treibt. Schließlich kennt auch Antonin den zweiten Teil der Prophezeiung. Er weiß, welche Gefahr Jolin für seinen Sohn bedeutet. Dennoch wird er es bis zum Äußersten treiben. Er wird sie alle in Sicherheit wiegen und womöglich erst im letzten Moment, in der Nacht der Prophezeiung, zuschlagen. Ramalia ist auf alles gefasst. Sie lässt Rouben nicht aus den Augen, beobachtet, wie er Jolin belauert, und spürt, wie sich in seinem jugendlichen Herzen genau das gleiche Gefühl zu regen beginnt, das auch sie für Harro Greims empfindet.
    Ramalia wünscht, dass es nicht so gekommen wäre. Ausgerechnet Jolin, auf der die Spuren von Harros Fürsorge und Liebe kleben! Wahrnehmbar für jedes Wesen der Dunkelheit. Wäre es irgendein anderes Mädchen gewesen, wäre die Gefahr weit weniger groß. Doch Ramalia weiß nur zu gut aus ihrer eigenen schmerzhaften Erfahrung, dass man dieses starke Gefühl nicht beeinflussen kann. Sie wird Rouben warnen müssen und Jolin schützen, so gut sie es vermag.
    In einer Neumondnacht geht sie ein letztes Mal zu Harro Greims. »Hab ich dich nicht gewarnt?«, sagt sie zu ihm, als er vor ihr steht und sie anstarrt, als wäre sie ein Traum. »Hab ich dir nicht gesagt, dass du nie wieder lieben darfst?« »Aber ich liebe nicht, ich habe immer nur dich ...« »Du weißt, dass das nicht stimmt«, fährt sie ihm ins Wort. »Dieses Mädchen ...« »Ja«, sagt Harro, »du hast recht. Jolin ist wie ein Schatz, den ich gefunden habe, oder besser gesagt, der mich gefunden hat. Sie ist der Ersatz für das Kind, das du mir genommen hast, ehe es überhaupt geboren war.«
     
    Am nächsten Tag war Rouben zurück. Er stand auf dem U-Bahnsteig, beachtete sie aber nicht. Als der Zug ein-fuhr, stieg er in den hinteren Wagen. Jolin krampfte es das Herz zusammen.

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