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Vollmondstrand

Vollmondstrand

Titel: Vollmondstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra M Klikovits
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Risiko, sich die frisch gewaschenen Händchen schmutzig zu machen. So war das!
    Clara war immer die Saubere gewesen, die Vorzeigetochter, und Rosa, na ja, die war halt auch da …
    Als Kind hatte Rosa das nicht lustig gefunden. Immer war schon jemand vor ihr da gewesen, der bereits konnte, was sie gerade probierte: Clara, die Ältere. Eineinhalb Jahre Vorsprung waren keine Leistung, aber erzähle das einem Erwachsenen, mit vier!
    Clara hatte reden, schreiben und rechnen können, bevor Rosa es nur versuchen konnte.
    Sie war besser in Deutsch, Englisch, Mathe und später auch in Musik (ab dem Zeitpunkt, wo es nicht mehr darum ging zu singen, sondern um Komponisten und Jahreszahlen zu strebern).
    Nur in Zeichnen, da hatte Rosa immer schon die bunteren Bilder gemalt!
    Rosa hatte, anders als ihre Schwester, kaum Schwierigkeiten mit den Kindern aus ihrer Straße. Clara hatte deren Sprache nie verstanden und hatte durchaus eins auf die Mütze gekriegt, wenn ihr Später-werd-ich-den-besseren-Job-haben-Getue nicht ankam. Da musste sie durch. Sich von der kleinen Schwester verteidigen zu lassen, wäre auch nicht gerade ›Heroinen like‹ gewesen!
    Was war Rosa heute, mit knapp 40, froh, ihren Weg gegangen zu sein und nicht Claras. Sie war zumindest lebendig geblieben!
    Abgehauen war sie nach der Matura, auf InterRail mit den Mädels. Sogar Jana konnte es zwischen zwei Geburten einrichten und war eine Woche mitgekommen.
    Paris war die erste Station gewesen. Eine Jugendherberge am Seine-Ufer, unweit von Notre-Dame. Mousse au chocolat an der Champs-Élyssées, so viel man wollte. Zu einem Touristenpreis hatten alle sechs zugeschlagen und waren in der großen Schüssel zu Regionen vorgedrungen, die noch kein Besucher je erforscht hatte. Iiihh!
    Und dann Barbara, die Holländerin mit den dicken, blonden Zöpfen, die die erste Nacht im Achtbettzimmer durchgekotzt hatte. Schöner als sie war nur ihr Bruder gewesen, mit dem sie sich auf der Durchreise befand: Jan. Ein Traum von einem Kunststudenten! Auch wenn sie sich anstrengte, Rosa fand heute kein Bild mehr zu Jan Takken. Der wär’s gewesen, aber sie hatte sich damals nicht mal getraut hinzuschauen, so sehr hatte er ihrem Traum von einem Mann entsprochen.
    Vielleicht wusste sie deshalb nicht mehr, wie er ausgesehen hatte?
    Ihre Wege hatten sich nur für zwei Tage und drei Nächte gekreuzt und Rosa war 18 gewesen … und zu romantisch, um die Gelegenheit beim Schopf zu packen.

18
    »Habt ihr schon mal bereut, nicht, etwas getan zu haben, sondern es nicht getan zu haben?«, fragte Elli um drei Uhr morgens in die Mädelsrunde, die halb verschlafen in den Clubsesseln hing. Plötzlich waren alle munter. Von kurzen Begegnungen mit Fremden war die Rede, die es leider nie geschafft hatten, aus ihrer Position herauszukommen (›upgegraded‹ zu werden zum Bekannten wenigstens, indem man sie angesprochen hätte). Es ging um Abschiede, um eine andere Ausbildung, jede hatte etwas in petto.
    Und Rosa kam erstmals die Geschichte mit Jan in den Sinn, wie sie sich hätte entwickeln können. Sie war sehr hübsch gewesen damals. Nicht, dass sie sich so gefühlt hatte. Sie hatte nicht zu den Selbstbewussten gehört. Lediglich an der Reaktion der Burschen hatte sie ablesen können, was sie heute beim Betrachten von Fotos nachvollziehen konnte: Groß, schlank, langes, dunkelblondes Haar, kleiner, fester Busen – und ein Blick, der mehr verborgen als gezeigt hatte.
    Verträumt, schüchtern, aber sich ihrer Eigenständigkeit durchaus bewusst.
    Wohler fühlte sie sich heute, mit zehn Kilo mehr auf den Rippen und einigen Linien im Gesicht. Hatte sie je tauschen wollen? Nein.
    Ihr Beruf half Rosa, das unvermeidliche Älterwerden zu akzeptieren. Reife und Lebenserfahrung standen ihr, und im besten Fall konnte sie sich abgeklärter und souveräner fühlen. Was fehlte, war eine Brille!
    Inzwischen hatte sie es ja zu einer Lesehilfe gebracht, die immer gerade dort herumlümmelte, wo niemand sie vermutete. Ein besonders eindrucksvolles Exemplar hatte sie schon vor Jahren ausgesucht und damals ihrer befreundeten Augenärztin erzählt: »Ich muss im Restaurant die Speisekarte schon um eine Armlänge weiter weghalten!«
    Die Lesehilfe hatte sie dennoch nicht bekommen. Es wäre noch zu früh gewesen. Die Augen hätten sich auf die faule Netzhaut gelegt!
    »Verrückt«, hatte Lina damals gemeint, als Rosa ihre Enttäuschung über die Nun-doch-nicht-Sehhilfe kundgetan hatte. »Jeder Mensch ist froh, wenn er keine

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