Vollmondstrand
Stille: »Hi, Süße, lass uns ausgehen heute, komm!« Die Stimme gehörte zu Maria und klang raunzig wie von einem Kind.
»Ich weiß nicht. Wo ist denn was los?«, warf Rosa ein, wohl wissend, dass es kein Entrinnen gab, wenn Maria sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
»Egal, ich hab’ heut frei. Glaub mir, wir machen’s uns fein, wo auch immer.«
»Klingt vernünftig.« Rosa ließ sich, wie sonst auch, gerne überzeugen.
»Vernünftig unvernünftig, hoff’ ich!«, antwortete Maria.
»Ich hab uns einen Sauvignon blanc vom Leo bestellt, kombiniert sich der mit deiner Stimmung?«, mit diesen Worten wurde Rosa schon erwartet.
»Mhh, fein.«
Sie fiel ihrer Freundin zur Begrüßung um den Hals und fuhr fort: »Dazu noch eine italienische ›a fumare‹ und ich bin glücklich!«
Maria blickte neidisch. »So möchte ich gern rauchen, wie du. Nur zu besonderen Gelegenheiten und nur zum Genuss.« Sprach’s und drückte ihre Zigarette in den gefüllten Aschenbecher.
»Was ist los bei dir? Ich hab dich gar nicht gehört diese Woche. Hattest du eine Liebeswoche oder nervige Leute in der Arbeit? Etwa wieder einen Sex-Anrufer?« Maria schaute erwartungsvoll.
»Nein, diese Woche nur eine Französin«, sie nuschelte hingebungsvoll, »die ihnen verkaufen will einö fantastische Rotwainn aus dem Medoc-äh. Und bei dir?«
Maria hielt kurz inne und zündete sich eine Zigarette an, bevor sie antwortete: »Zur Zeit arbeite ich an einem Triptychon, jedes Feld eineinhalb mal zwei Meter. Das Thema ist«, sie räusperte sich, »Geburt, Leben und Tod.«
»Das klingt ja interessant!« Rosa war plötzlich hellwach.
»Ist es auch. Manchmal muss ich aufhören, dann setz ich mich hin und heule. Der Michi ist letztens gekommen und hat gesagt: ›Mama, was ist denn?‹ Und ich hab’ an seiner Schulter geweint und gesagt: ›Nichts, es ist nur – du bist schon so groß!‹ An einem anderen Tag fühl ich mich wieder gut und bin froh, dass mich keiner fragt: Wo gehst du hin, wann kommst du wieder?
Dann bin ich unendlich erleichtert, den ganzen Druck hinter mir zu haben: Schnell in die Arbeit, schnell einkaufen, schnell den Michi abholen, schnell heim und kochen. Am Wochenende putzen und die Großeltern besuchen.
Jetzt hab ich endlich Zeit für mich und meinen Dreiteiler, das bedeutet mir viel!«
»Klar, das verstehe ich. Und der Michi, was sagt er?«
»Er sagt, er ist glücklich, wenn ich glücklich bin!«
Und nach einer kurzen Pause: »Mit dem Michi, da ist mir wirklich was gelungen. Seine Zukünftige kann sich jetzt schon freuen, sag ich dir.«
»Ja, der ist dir wirklich gelungen. Ihr seid ein gutes Team. Du hast ihn immer einbezogen, und als die Großeltern gestorben sind, waren wir Mädels dann auch so etwas wie eine Familie für ihn!«
»Stimmt, er weiß einfach, wo er hingehört. Ich sag dir, gerade jetzt fällt viel Last ab, die sich über die Jahre angesammelt hat. Zeig mir eine Alleinerziehende, die sich so verhält, wie du es im Fernsehen siehst. Die meisten tun, was sie können, und die Gesellschaft dankt es ihnen mit einem lakonischen: Der ist auch der Mann davongegangen. Wird schon seinen Grund haben.«
»Am Land ist das oft noch so …«
»Und in der Stadt, ist es da wirklich anders?«
»Du nimmst dir eine kleine Wohnung und kannst in einem anderen Bezirk neu beginnen. Die Skoci hat das gemacht, vor ein paar Jahren. Eine geförderte Wohnung für Alleinerziehende mit Gemeinschaftsgarten am Stadtrand. Der geht’s richtig gut mittlerweile. Die Hausparteien leben alle in ihren eigenen Wohnungen und doch in einer Gemeinschaft. Schon allein für die Kinder ist das ein Gewinn!«
»Ja, das musst du halt auch mögen«, meinte Maria. »Ich brauch meine Ruhe und meinen Raum zum Malen. Nicht, dass ich menschenscheu wäre, aber ich bin gern allein. Ich brauch das als Ausgleich.«
Rosa musste an die einsame Terrasse denken, die sie so liebte. Seit fünf Jahren hatten sie jeden August im Haus ihrer Freunde am Meer verbracht.
»Wie wär’s jetzt mit einem Redmont?«, unterbrach Maria ihre Gedanken.
»Passt heute zu dir, und für mich einen Gelben Muskateller, du weißt schon, von wem. Garcon!«
23
… das Haus am See …
Dudelte es aus dem Radio, als Rosa am nächsten Morgen ihr Auto startete.
… Orangenbaumblätter liegen auf dem Weg … Wir grillen, die Mamas kochen und wir saufen Schnaps …
… ich hab 20 Kinder … meine Frau ist schön …
Die Macho-Version meines Freiheitstraums also, dachte Rosa, sich
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