Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
nachgibt und dir deinen Urlaub vermasselt.«
Nachdem sich Karin von Haupt verabschiedet hatte, begab sie sich in ihr Büro, um wenigsten noch ein paar Berichte zu schreiben. Mit einem erbarmungswürdigen Seufzer griff sie nach der ersten Mappe und begann mit der ungeliebten Tätigkeit.
Nach zwei Stunden stellte sie erstaunt fest, dass ihr die Arbeit flott von der Hand gegangen war. Der Berg der unerledigten Ordner war immens geschrumpft. Karin war zufrieden mit sich und beschloss zur Feier des Tages eher Schluss zu machen. Sie verließ ihr Büro, gab noch rasch den Urlaubsantrag bei der Sekretärin ab und lief zu ihrem Auto.
Beschwingt ging sie über den Parkplatz, da kam ihr ein verlockender Gedanke, sie kehrte um und wandte sich in Richtung Innenstadt. Karin fand, dass ihre Hausarbeit warten konnte und entschied, dass es nicht verkehrt sei, sich bei dem schönen Wetter einen Eisbecher zu gönnen. Sie schlenderte zum Altmarkt und wählte ein Café, das es ihr ermöglichte, im Freien zu sitzen. Während Karin ihre Lieblingseissorten – Walnuss, Schokolade und After Eight zusammen mit einer extra großen Portion Schlagsahne – verdrückte, beobachtete sie die flanierenden Menschen und genoss die wärmenden Strahlen der Sonne. Sie schaltete ganz und gar ab und kostete diesen Moment aus, denn das Leben hatte ihr beigebracht, dass solche Augenblicke flüchtig waren. Fast eine Stunde ließ Karin träumend die Atmosphäre auf sich wirken, dann verlangte sie die Rechnung. Gerade als sie den Beleg erhalten hatte und in ihrem Geldbeutel den Betrag zusammensuchte, vernahm sie eine männliche Stimme, die fragte, ob noch ein Platz am Tisch frei sei. Karin sah nicht auf, sondern brummte nur zustimmend. Sie war froh, dass sie ohnehin aufbrechen wollte, da sie es nicht mochte, sich mit Fremden zu unterhalten.
Noch immer ohne ihren Gegenüber auch nur eines Blickes zu würdigen, legte sie die Zeche auf die Rechnung. Erst danach gestattete sie sich einen kurzen Blick auf den Störenfried. Als sie realisierte, wer ihr da gegenübersaß, gefror das Blut in ihren Adern. Der Mann an ihrem Tisch, der sie arrogant lächelnd musterte, war kein anderer als René Witkowski, das ›Krokodil‹.
29. Kapitel
Zu ihrer Verwunderung blieb Karin vollkommen ruhig. Fast gelassen griff sie in ihren Rucksack, den sie auf ihrem Schoß hielt, holte ihre Pistole heraus, entsicherte diese und richtete den Lauf auf Witkowski.
»Sie können sich als verhaftet betrachten«, sagte Karin emotionslos. »Mit einem Fluchtversuch würden Sie mir eine große Freude bereiten, da Sie mir damit einen Grund liefern würden, auf Sie zu schießen.«
Witkowski lächelte leicht, hob mahnend den Zeigefinger und deckte eine mitgebrachte Zeitung über Karins Pistole. »Wir wollen doch kein Aufsehen erregen«, sagte er. Alle seine Bewegungen waren betont langsam, denn er wollte Karin auf keinen Fall provozieren. »Sie enttäuschen mich ein wenig, werte Frau Kommissarin. Denken Sie denn, ich setze mich einfach so zu Ihnen und lasse mich abführen?« Witkowski schüttelte mit gespielter Verwunderung den Kopf. Karin wollte etwas sagen, doch Witkowski bremste sie mit einer leichten Handbewegung. »Bevor wir mit unserem Gespräch beginnen, möchte ich, dass Sie sich dieses Foto ansehen.« Mit diesen Worten schob er Karin ein Bild zu. Karin nahm das Foto, betrachtete es und musste gegen die nun aufsteigende Panik ankämpfen. Auf der Aufnahme sah sie Sandra, an einen Stuhl gefesselt, den Mund mit Paketband verklebt und die Augen schreckgeweitet geöffnet. Karin hatte das Gefühl, als würde der Boden unter ihr schwinden. Doch sie konnte der Verzweiflung, die das Foto bei ihr ausgelöst hatte, nicht nachgeben, sie musste sich zusammennehmen.
»Was wollen Sie?«, würgte sie nach einem Augenblick hervor.
»Na bitte. Jetzt geht unsere Konversation in die richtige Richtung. Ich mache es kurz, denn ich möchte meinen Aufenthalt an diesem öffentlichen Platz nicht allzu lang ausdehnen. Ich benötige dringend finanzielle Unterstützung, denn mein Erspartes liegt im Ausland und genau dorthin muss ich erst einmal kommen.«
»Wie viel wollen Sie?«
Witkowski lachte auf. »Sie müsse keine Angst um Ihren eigenen Sparstrumpf haben. Wenn ich mit einer geringen Summe zufrieden wäre, würde ich mir wohl kaum die Mühe mit Ihrer Partnerin machen. Ich will,« und während er dies sagte, wurde seine Miene drohend. »Ich will exakt 680.000 Euro. Das ist mein Geld und ich will es wieder
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