Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
fassen und ungläubig ergänzte sie: »Seine Wohnung in Dresden, die er vor seiner Frau geheim hielt, haben wir ebenfalls gefunden. Hier konnte er sich vor Frau Mahler verstecken und unbehelligt nach ihr forschen.«
»Wenn Reiter noch unter uns weilen würde, was glauben sie, wäre ihm wichtiger? Seine Frau, die er nach Strich und Faden betrogen hat, oder seine Freiheit und seine Stellung?« Nach ihrer rhetorischen Frage schaute Frau Faust Sandra fragend an.
Diese blickte kurz zu Boden, dann sah sie auf und nickte finster: »Sie haben leider recht, Reiter würde seine Ehe sausen lassen und sich aus der Affäre ziehen.«
»Genau. Ich glaube auch nicht, dass Reiter auf einmal tiefe Gefühle für seine Frau entwickeln würde.« Über Frau Fausts strenges, aber doch attraktives Gesicht huschte ein Schatten. »Das Vorhandensein eines geheimen Liebesnestes sagt über meinen ehemaligen Kollegen ausreichend aus. Und zurück zu Ihrer Frage, Frau Wolf, wem wäre damit gedient, wenn wir mit Reiters Schweinereien an die Öffentlichkeit gingen? Niemandem«, beantwortete sie selbst ihre Frage. »Alle, denen es Gerechtigkeit bringen würde, Frau Lefort und Frau Mahler, sind tot. Aber wir würden seiner Familie schaden. Seine Frau macht genug durch. Es ist, glaube ich, nicht erforderlich, ihr den Todesstoß zu versetzen.«
Karin nickte.
An dieser Stelle mischte sich Steffen Dahlmann ein, der damit seine Rolle als passiver Zuhörer aufgab. »Ärgerlich ist Reiters Tod schon, besonders im Hinblick auf den armen Gastwirt. Ihm wird sicher nie Gerechtigkeit widerfahren. Ich habe nach langwierigen Untersuchungen die Beteiligung eines Dritten ausschließen können. Aber weder bei Reiters Leiche, noch in seiner Zweitwohnung gab es den geringsten Hinweis auf die Tat. Wir wissen zwar, dass es nur Reiter gewesen sein kann, aber absolute Sicherheit haben wir nicht.«
»Das ist für diesen Fall typisch. Mehr kann ich dazu leider auch nicht beitragen«, sagte Staatsanwältin Faust resignierend. »Aber«, und damit wandte sie sich direkt an Sandra: »Sie sind doch die Waffenexpertin? Eine Frage habe ich noch. Die Waffe, die Frau Mahler benutzte,« sie blätterte wieder in den Unterlagen, »eine Luger, ist das nicht eine etwas antiquierte Pistole? Wie könnte Frau Mahler an so ein Museumsstück gekommen sein?«
»Die exakte Bezeichnung lautet
Pistole 08
oder
Parabellum
-Pistole«, Sandra blühte sichtlich auf. »Diese Waffe wurde in Deutschland bis zum Ende des 2. Weltkrieges hergestellt, sie gehörte zur Standardausrüstung der deutschen Truppen im 1. und 2. Weltkrieg. Erst gegen 1938 wurde sie schrittweise gegen die
Walther P38
ersetzt. Durch den Einsatz in zwei Weltkriegen schlummern bestimmt noch einige dieser Waffen in Schubladen. Wie allerdings diese Pistole den Weg bis in Frau Mahlers Hände gefunden hat, darüber kann man nur spekulieren.« Sandra beendete ihre Ausführungen, doch dann fiel ihr noch etwas ein: »Übrigens, die Patronen, die in der Ruine verschossen wurden, sind noch Originalmunition, nämlich 9 Millimeter
Parabellum
. Für diese
Parabellum
-Pistole samt der Originalmunition legen Waffensammler ein hübsches Sümmchen auf den Tisch.«
Karin schaute Sandra, während diese die Abhandlung über die Waffe vortrug, nachdenklich an.
»Na schön«, sagte Frau Faust. »Dann müssen wir eben mit dem Umstand leben, dass wir nicht genau sagen können, woher Frau Mahler diese Pistole bekommen hat.« Sie schaute die ihr gegenübersitzenden Personen an und fügte hinzu: »Wenn es keine weiteren Ergänzungen ihrerseits gibt, schließe ich die Akten.«
Für die Staatsanwaltschaft war die Serie von Mordfällen, die mit dem Mord an der Waschanlage ihren Anfang genommen hatte, damit abgeschlossen. Karin hatte dazu eine andere Meinung, behielt diese aber für sich. Gemeinsam mit ihren beiden Kollegen verließ sie das imposante Bauwerk des Dresdner Amtsgerichts. Auf der Freitreppe zwischen den Sandsteinfiguren ›Wahrheit‹ und ›Gerechtigkeit‹ verabschiedete sich Steffen Dahlmann, da ihn eine Ermittlung in die Dresdner Neustadt führte. Auch Sandra wollte los. Sie hatte sich den Nachmittag freigenommen, um liegengebliebene Besorgungen zu erledigen. Karin begleitete sie bis zum Auto.
»Du hast doch diese Parabellum-Pistole aus allen Blickwinkeln fotografiert?«, sagte sie zu Sandra. »Hast du alle Abzüge der Fotos an die Staatsanwaltschaft weitergereicht, oder einige zurückbehalten?«
»Die Abzüge habe ich alle meinem Bericht
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