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Vom Alptraum verfolgt

Vom Alptraum verfolgt

Titel: Vom Alptraum verfolgt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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Psychiatrie unter dem großen Professor Edelstein. Ich hatte das
Glück, sein Lieblingsschüler zu werden, so daß er später, als ich meine Praxis
eröffnet hatte, mich allen empfahl, die eine Analyse wünschten. Was hätte also
noch schiefgehen können ?«
    Er seufzte leise. »Ich war
damals jung — eben dreißig! — , hatte eine florierende
und immer größer werdende Praxis, und dank Professor Edelstein stand mein
berufliches Ansehen auf festem Grund und breitete sich ebenfalls aus. Das war
neunzehnhundertachtunddreißig, das war Theodor Altman — und dann zogen die
Nazis in Wien ein.
    Edelstein war Jude — jedermann
wußte, daß Freud ebenfalls Jude war — , und deshalb
war die gesamte Psychoanalyse und alles, was damit zusammenhing, verdächtig und
anti-arisch. Der Lebensinhalt des Professors war seine Lehrtätigkeit, und als
man versuchte, ihn darin einzuschränken, wandte er sich gegen sie — und
verschwand. Ich behielt meine Praxis bei, versuchte, den Druck, der gegen mich
ausgeübt wurde, zu ignorieren, und sah doch, wie sich alles in Nichts
aufzulösen begann. Ein Jahr später entdeckte die Gestapo, daß meine Großmutter
mütterlicherseits Jüdin gewesen war, und dies, zusammen mit meiner früheren
Verbindung mit Edelstein, genügte, um sie in Aktion treten zu lassen .«
    »Kamen Sie ins Gefängnis ?« fragte ich.
    »In ein Konzentrationslager«,
sagte Altman mit rauher Stimme. »Das war in dem Jahr,
als der Zweite Weltkrieg begann, vergessen Sie das nicht, Lieutenant. Nach drei
Wochen ließen sie mich die Latrinen der SS-Baracken putzen, und das tat ich
dann fünf Jahre lang — erst in Österreich, dann in Deutschland und schließlich
in Polen. Neunzehnhundertvierundvierzig wurden wir in Polen wieder evakuiert.
Wir wurden wie das Vieh in Eisenbahnwaggons getrieben, und wegen der
herabfallenden Bomben fuhr der Zug nur langsam. Einige kamen auf der Fahrt um.
Ein junger SS-Major hatte den Oberbefehl über den Zug, und die jüdischen
Leichen kümmerten ihn nicht übermäßig. Aber am fünften Tag starb einer seiner
eigenen Leute, und dessen Leiche interessierte ihn soweit, daß er einen Blick
auf sie warf. Der Zug wurde angehalten, während die Wachleute nach jemandem mit
medizinischer Erfahrung brüllten. Ich kam, und als ich ihnen sagte, ich sei
Arzt, brachten sie mich in Windeseile vor den heftig verängstigten SS-Major,
der aus Angst vor seinen Vorgesetzten und vor dem, was mit ihm selber geschehen
würde, nicht wagte, einen Ausbruch von Pocken zu melden.«
    Altman sog an seinem Stumpen,
blies einen Rauchstrom aus einem Mundwinkel und fuhr fort: »Ich tat mein
Bestes, was unter diesen Umständen nicht viel war. Weitere dreißig Leute
starben, bevor wir unseren Bestimmungsort erreichten. Als wir ankamen, wurde
uns gesagt, wir würden das Land bebauen, und zuerst sollten wir in den
Desinfizierungsbaracken des Lagers gebadet und entlaust werden. Ich wurde, kurz
bevor ich mich ausziehen und die Baracke betreten sollte, weggeholt und vor den
Lagerkommandanten gebracht, der von dem SS-Major erfahren hatte, daß ich Arzt
und Psychiater gewesen war. Anscheinend wollte er von mir erfahren, weshalb es
unter dem Wachpersonal in Auschwitz so viele nervöse Störungen gab .«
    Er machte eine Pause, blickte
mich, ohne zu blinzeln, flüchtig an und fügte hinzu: »Da waren wir nämlich — in
Auschwitz .«
    Er streifte die Asche von
seiner Zigarre und betrachtete deren glühendes Ende. »Danach beobachtete ich
beinahe ein Jahr lang, wie die Züge eintrafen, hörte die Reden über die
Landarbeit und sah, wie die nackten Menschen, Abteilung um Abteilung, in die
> Desinfizierungs <-Baracken gingen, aus denen
sie, wie Sie wissen, nie mehr zurückkehrten.
    Ich entdeckte bald, daß der
Kommandant an nervösen Störungen als solchen nicht interessiert war. Er wollte,
daß ich herausfand, welche seiner Leute ihre Arbeit mit Widerwillen
verrichteten, so daß er sie schnellstens ausmerzen konnte. Er war überzeugt,
daß diese Männer von Natur aus nicht tüchtig seien, und er hatte eine Manie für
Tüchtigkeit. Der Kommandant war der am meisten von seinem Beruf absorbierte
Mann, den ich je in meinem Leben kennengelernt habe, Lieutenant, und das ist
der Grund, weshalb ich keinem Menschen, der von seiner Arbeit >absorbiert<
wird, je vollkommen sympathisch gegenüberstehen noch ihm völlig vertrauen kann,
ganz gleich, wie ethisch hochstehend seine Absichten sein mögen.«
    »Was geschah, als der Krieg zu
Ende war ?« Er

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