Vom Alptraum verfolgt
Patienten mit einer Überdosis einer Droge umgebracht hat ?«
»Sie wissen davon ?« Seine Brauen hoben sich für einen Augenblick, dann
lächelte er. »Natürlich wissen Sie das — ich habe fast vergessen, daß Sie
Polizeibeamter sind! Es war nicht Max’ Schuld, ein anderer verabreichte die
Überdosis gegen seine ausdrücklichen Anweisungen, aber er mußte die
Verantwortung auf sich nehmen. Max Landau ist ein sehr bedeutender Mann, aber
unglücklicherweise seiner Zeit voraus .«
»Was meinen Sie damit ?«
Altman zuckte die Schultern.
»Es ist nicht wichtig, und die Antwort darauf wäre so kompliziert und so wenig faßlich , daß ich nicht wagen würde, Ihre Zeit damit zu
vergeuden, Lieutenant«, erwiderte er leichthin. »Lassen Sie mich noch so viel
sagen: Max hat einen intuitiven Spürsinn für die Forschungsarbeit, die wir hier
leisten, der an Genialität grenzt. Und Genie — ohne den Schulmeister spielen zu
wollen, Lieutenant — ist etwas, das vom Durchschnittsmenschen immer mit Mißtrauen betrachtet wird .«
»Welcher Art sind Ihre
Forschungsarbeiten im Augenblick, Doktor ?« erkundigte
ich mich ohne rechte Hoffnung, dadurch zu neuen Aspekten zu gelangen. »Ist es
etwas sehr Wichtiges? Etwas, das vielleicht geheimgehalten werden muß?«
In seinem Lächeln lag die ganze
leicht geringschätzige Toleranz, die der Wissenschaftler gegenüber dem Laien
empfindet. »Ich hoffe, es wird wichtig sein — das hoffen wir alle — , aber geheimgehalten zu werden
braucht es kaum! Um mich in nichtwissenschaftlicher Form auszudrücken.
Lieutenant, wir sind dabei, die Möglichkeiten einer halluzinatorisch wirkenden Droge, wie zum Beispiel LSD-fünfundzwanzig, mit einem hypnotisch
wirkenden Sedativ, wie zum Beispiel Hyoscinum hydrobromicum , zu kombinieren, um es in der Psychotherapie
anzuwenden.«
» Hyoscinum hydrobromicum ?« Ich
überlegte einen Augenblick. »Das ist ein anderer Name für Scopolamin ,
nicht wahr ?«
»Natürlich.«
»Das Wahrheitsserum?«
»Wahrheitsserum?« Die hellen
blauen Augen betrachteten für eine Sekunde prüfend mein Gesicht. Dann lachte er
kurz auf. »Ach ja! Der Wunschtraum der Gesetzeshüter! Das hatte ich fast
vergessen. Ja, Lieutenant, es wird häufig so genannt, aber unglücklicherweise
ist die Bezeichnung unzutreffend. Der hypnotische Effekt wird gewiß in vielen
Fällen die Willensstärke der Versuchsperson einschränken und seine
Gehirntätigkeit unkontrolliert lassen. In diesem Fall besteht die Möglichkeit,
daß die Versuchsperson jede Frage, wie persönlich und für sie selbst gefährlich
sie auch sein mag, absolut wahrheitsgemäß beantworten wird. Aber es gibt auch
Personen, bei denen die mangelnde Selbstkontrolle ihrer Gehirntätigkeit
Phantasievorstellungen auslöst, und natürlich werden dann auch ihre Antworten
lediglich der Phantasie entspringen. Hyoscin ist wie
eine schöne Frau, Lieutenant — faszinierend, aber nicht zuverlässig .«
Er nahm einen dünnen schwarzen
Stumpen aus der Brusttasche, entfernte mit großer Sorgfalt die Zellophanhülle und zündete ihn mit offensichtlichem
Vergnügen an.
»Eine Zigarre, eine schöne
Frau, ein guter Wein — das sind die Dinge, die ich in meinem Leben schätzen
gelernt habe. Ich habe zu viel >Absorption< im Deutschland Hitlers
erlebt, Lieutenant. Ich sage Ihnen dies zur Erklärung, ich möchte nicht, daß
Sie glauben, ich hätte mich über den jungen Doktor lustig gemacht, als er noch
lebte. Es ist nur eine für mich typische Reaktion, für die ich nichts kann.
Marsh war ein sehr aufrichtiger junger Mann, und ich hätte ihm von Herzen
gegönnt, daß er einmal die junge Biologin betrunken gemacht und verführt hätte.
Ich versuchte, ihm das als Therapie zu verschreiben, und er bekam bei der
Vorstellung beinahe einen katatonischen Schock! Es hätte beiden außerordentlich
gutgetan .«
»Ich muß sagen, Doktor Altman,
wenn Sie auch nicht der aufschlußreichste Verdächtige
sind, mit dem ich gesprochen habe, so sind Sie aber jedenfalls der amüsanteste !« Ich grinste ihn an. »Sie haben im Hitlerdeutschland
Psychiatrie praktiziert? Die Leutchen müssen Sie schön in Atem gehalten haben .«
»In Atem gehalten —.« In seiner
ironischen Stimme lag ein bitterer Unterton. »Ja, das haben sie getan .« Er beobachtete ein paar Sekunden lang die Zigarre, die er
zwischen den Fingern hielt. »Neunzehnhundertachtunddreißig praktizierte ich in
Wien, Lieutenant. Nach meinem medizinischen Staatsexamen studierte ich vier
Jahre lang
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