Vom Baum Der Erkenntniss
altkluge Zweckmäßigkeit, eine cigarrenrauchende gesunde Menschenverstandslogik hat sich mit der »Respektabilität« der materiellen Interessen und den faits accomplis der politischen Reaktion so eng verschwistert, daß sie einen Geist zur herrschenden Tonangabe machten, der ungefähr die Anschauungen von Rittergutsbesitzern beim ersten Glase Champagner nach verkaufter Wolle als die mittlere Durchschnittsintelligenz unseres Zeitalters hinstellt. England zeigt ein Heilmittel gegen diesen »Snobbismus« – politisches Ehrgefühl.
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Wenn wir um uns blicken, so finden wir Kunst- und Literaturperioden, die im Abschluß begriffen sind, entwickelte Sprachen, die nur noch wenig einer weiterenMehrung bedürfen, sociale Verhältnisse, die jede originelle Entwickelung unterbrechen – der Stifter einer neuen Religion würde jetzt in die Hände der Gerichte oder der Irrenärzte gelangen. In einer solchen Zeit sollte das, was sie noch, auf ihrem unfruchtbaren, so steinigen Boden hervorbringt, gerade um so höher geschätzt, gerade um so liebevoller gehegt werden.
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Es wird bekanntlich auf unseren Universitäten gelehrt, daß zu geschichtlich bedeutenden Schöpfungen, welche die Gesetzgeber vorschlagen und die Völker ausführen sollen, ein »naturwüchsiger« Grund und Boden gehöre. Man rühmt England, das eine Verfassung besäße, wie auf Felsen gegründet. Auch in Frankreich, wo so vieles durcheinander schwankt und auch ganz seit einigen Menschenaltern zum Sturz gekommen ist, spricht die von der Militärherrschaft begeisterte Staatsweisheit, besonders die der Börse, seit einiger Zeit mit besonderm Nachdruck von dem zu wahren geschichtlichen Bauten nothwendigen Granit , großartigen Quadern von Gesetzen, Felsblöcken von Institutionen, metallischen Grundlagen von Kugeln und Kanonen.
Gervinus hat ganz im Widerspruch mit diesen Anforderungen der deutschen Katheder und der Pariser Börse eine Ehrenrettung jener historischen Baukunst gegeben, die auf nicht viel mehr als auf Sand baute. Er erzählt in seiner Geschichte unseres Jahrhunderts die allmählige Bildungsgeschichte Nordamerika's, eines so wenig naturwüchsigen Staates, und gibt ihm das Zeugniß, daß derselbe mit den staunenswürdigsten Erfolgen des Glücks und der Macht Europa plötzlich eingeholt hätte. Wie, man will lehren, Volksherrschaft könnte nur auf kleinem Raum gedeihen? Die Union hat ein unermeßliches Ländergebiet. Solchen Verfassungen, die leicht verändert werden können, gibt man Schuld, daß sie keine Pietät erwecken könnten, und überall zeigt sich in Amerika die Anhänglichkeit an bewährte junge Gebräuche. Nordamerika hat die allgemeinste Toleranz in Religionssachen und ist doch in seinem Durchschnittscharakter religiös. Es hat keine Militärmacht und ist doch kriegerisch. Es ist von einer Bevölkerung aus aller Herren Ländern zusammen gesetzt und diese glüht von Vaterlandsliebe. Nur Unbemittelte gelangen dort zu Staatsämtern und die Verwaltung ist musterhaft in ihrer Sparsamkeit. Kurz Alles wurde dort auf Sand, nichts auf Granit gebaut, und das Menschenlebenwächst, blüht und gedeiht dennoch. Unsere Universitätsprofessoren werden mit der Zeit viele Paragraphen aus ihren Collegienheften ausstreichen müssen oder wenigstens in Noten unter dem Text das mögliche Vorhandensein einer anderen Weltordnung, als sie oben lehrten, anzuerkennen haben.
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Ueber einen gescheiterten Idealisten lacht ihr – ! Um Phaethon, der den Donnerwagen lenken wollte und zu schwach war, die Zügel zu führen (er stürzte, wie Prudhomme, Louis Blanc, wie die bessere »Linke« der Paulskirche), weinten die Heliaden so lange, bis sie in zitternde Erlen verwandelt waren. Ihre Thränen flossen so reichlich, daß sie sich zum Bernstein verdichteten.
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Die Juden glauben an einen siebenten Himmel. Dann kann den rumänischen die Erde kaum der erste sein.
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Die alten Aegypter beteten Kühe und Stiere an. Das seltsam unruhige, hitzige Temperament der Judenmachte, als sie aus Aegypten kamen, bereits die Kälber zu Götzen.
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Der rechte Zeiten- und Weltweise sieht auch diejenigen Sternschnuppen, die am Tage fallen.
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Wohin gerathen wir! Schon hat Montesquieu gesagt, daß nur diejenigen Gesetze gute wären, die schon die Sitte und das Bedürfnis vorgeschrieben hätte! Nun vergleiche man die anschwellenden Gesetzes-Folianten, die Verordnungen, die täglich erscheinenden, und – unsere Wünsche!
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Seitdem sich die Schulmänner und Philologen des
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