Vom Baum Der Erkenntniss
selbst aus deiner Stimmung hineinlegst – ? Schlimmes wird es im Gemüth des Kindes wol nicht sein, aber doch vielleicht etwas andres, als es dir zunächst erscheint.
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Merkwürdig, wie kluge Menschen jahrelang ihre Eitelkeit verbergen konnten. Allen blieb sie zweifelhaft, bis sie plötzlich an ihren Kindern, wenn sie deren haben, hervorbricht. Sich sicher glaubend unter dem Deckmantel der Elternliebe, zeigen sie sich mitunter imWürdigen und Fördern ihrer Kinder wie vollkommne Narren.
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Wenn Shakespeares Polonius seinem nach Paris reisenden Sohn Laertes eine Reihe beherzigenswerther Lebensregeln mit auf den Weg gibt, so möchte man glauben, er hätte folgende Unterweisung des Grafen Eberhard von Erbach an seinen Sohn Georg aus dem sechzehnten Jahrhundert vor Augen gehabt:
»Lieber Sohn, biß gottesfürchtig! Bet morgens und abends vleißig, gedenk' in all deinem Thun an Gott! Geht dir's wohl, so dank' ihm, geht dir's übel, so klag's ihm. Gedenk, daß alles Glück und Unglück von Gott kommt und bald ein Ende nimmt. Erkenne dich vor einen armen Sünder, glaub, daß dich der Sohn Gottes Jesus Christus hab' mit seinem Blut erlöset; beharr darauf und bekenne es bis ans Ende, so wird er dich wieder bekennen vor Gott, seinem himmlischen Vater. Biß nicht hoffärtig, halt aber deinen Stand ehrlich. Sey wahrhaftig! Halt was du zusagest und ob dir Leib und Gut drauf ging, denn wenn du leugst in Schimpf oder Ernst, so bist du einTeufelskind, der ist ein Vater der Lügen. Sey züchtig mit Worten, Gebärden und Werken. Schände Niemands Weib oder Kind. Sey kein Palger; aber wenn man die Fähnlein fliegen läßt, dann biß keck und fliehe nicht; dann es ist besser ehrlich gestorben, denn schändlich geflohen. Sei nicht verthunisch, biß aber auch kein karger Filz; zu Ehren spare nichts. Rede niemandes übell, gedenk' allzeit an dich selbst, daß du auch ein armer Mensch bist. Nicht handle fälschlich mit den Leuten, handle frei und rund, das bestehet am längsten; doch lerne die Leut wohl erkennen, denn gegen einen frommen mußt du wieder fromm sein. Vor einem falschen hüte dich und rede gegen ihn desto langsamer. Die nothdürftigen Armen laß dir befohlen sein; Schmeichler, Gotteslästerer und Schalksnarren laß dir nicht wolgefallen. Wer dich straft und dir wol rätht, den habe lieb. Treue Kirchen- und andre Diener habe sehr lieb, lohn' ihnen nach deinem Vermögen. Untreue Diener laß mit Güte von dir kommen, behalte sy nicht. Jedermanns Schand hilf decken; doch wenn du regierst, so strafe das übell. Biß denen, die unter dir sind, ein Vatter; nicht beschwere deine Unterthanen über die Billigkeit: dann dieselb Nahrung hab' ich oft übel sehen gerathen. Halt hart über dem Frommen und ob ihmschon bisweilen eine Thorheit widerfährt, so straf aber mit Vernunft, soviel dir gebühret. Hüte dich vor dem Zutrinken, daraus, spricht Sankt Paulus, kommt ein unordentlich Leben.«
Zwei Jahrhunderte später übersetzte ein alter preußischer Dragoneroberst, der unter Friedrich II. gefochten hatte, Freiherr Johann Karl Friedrich von Eberstein, diese Lehren an seinen auf die Leipziger Hochschule gehenden Sohn Wilhelm, nachdem derselbe im Kriegsdienst bereits als Cornet verwundet und zum Verbleiben unter den Fahnen seines königlichen Herrn untauglich geworden war, in die Anschauungen eines durch die Nachahmung der Pariser Sitten doch noch nicht ganz um seinen bessern Kern gebrachten Zeitalters.
»Reichthum und Mittel,« schreibt der alte Kriegsheld unter anderem, »habe ich nicht. Darauf darfst du dich keinen Staat machen. Doch habe ich es in meinem sauern Dienst soweit gebracht, daß meine Kinder nicht vor anderer Leute Thüre Brod suchen dürfen. Ich werde alles an dich wenden, was meine Umstände mir erlauben; im Gegentheil aber kannst du auch versichert sein, daß ich einem widersinnigen ungerathenen Sohn nicht das allergeringste gebe, sondern ihn sich, als seinem eigenen Macher, lediglich überlasse. Ich gebedir einen Hoffmeister mit, weil du noch unerfahren bist. Weiß ich auch wohl, daß du dieses vor ganz überflüssig ansiehest, und mehr zu wissen glaubst, als ich und viele kluge Leute, so irrst du dich doch hierin in der Wahrheit. Diesen Mann gebe ich dir mit, considerire ihn als deinen Vater. Er soll dich auf der Reise in Gesellschaften und in denen Collegiis begleiten, beständig mit dir discouriren; er soll dich die Arten der Menschen kennen lernen und wie man sich in der Allgemeinheit und insbesondere gegen
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