Vom Baum Der Erkenntniss
jede Art dieser Menschen zu verhalten habe. Hütte dich für dem Spiel, für dem Trunk und für dem weiblichen Geschlecht als vor drey Quellen, woraus in dieser Welt alles Unglück für einen jungen Menschen gewiß stießet. Versäume das Gebeth nicht, halte Gott und der Welt Heyland Jesum stets in deinem Herzen, bitte ihn ohne Unterlaß, daß er dich mit seinem heiligen und guten Geist regiere, leite und führe dich. Sey hiernächst gegen Jedermann, auch gegen den geringsten, höfflich, aufrichtig ohne Falsch. Achte einen Jeden klüger, weiser, vernünftiger und besser, als du dich selbsten achtest. Sey aber auch klug und wisse, daß die ganze Welt im Argen lieget und viele falsche, hinterlistige, böse Menschen darinnen seyn. Aplicire die Worte des Heylands hier: seyd einfältigwie die Tauben und klug wie die Schlangen! Sey allzeit wirthschaftlich! Sey in deinem Anzuge reinlich, aber nicht prächtig! Zur Reitkunst rathe dir, dich noch etwas zu apliciren. Lerne auch einige Mohnate fechten. Außer diesen beiden noblen Künsten weiß ich keine, so dir nöthig sein könnte, und will kein Geld auf Tanzen, Voltigiren und dergleichen verwenden. Die Music übe zu deiner Recreation dergestalt, daß es nicht viel Geld kostet und dir die edle Zeit nicht verloren geht. Suche dich bei Leuten, welche wegen ihrer Dexterité und Droitüre in gutem Ruf und Ansehen stehen und welche dereinst Werkzeuge zu deinem Glück abgeben können, besonders bekannt zu machen, dich bei ihnen zu insinuiren und ihre Freundschaft zu erlangen. Hüte dich in ihrer Gesellschaft zu voreilig, spitzfindig oder ruhmräthig zu sein. Höre vielmehr, als du selbst sprichst. Gib Acht allezeit, wo Andre hinauswollen. Nimm dich mit denen sogenannten Bon Mots in Acht, denn man schlägt einen Andern leicht damit in die Augen und kann dann viel Ungelegenheiten haben. Gib Niemand Gelegenheit zu Händel! Verabscheue das niederträchtige Raufen, halt aber steif und fest auf deine Ehre! Wirst du dazu genöthigt und die Sache kann mit Conservation der Ehre nicht änderst abgemacht werden, so befiehl dich Gottund sei muthig und scheue weder Pistolen noch Degen. So lange du aber dieses Extremum vermeiden kannst, so vermeide es. Sind deine Studien vorbei, so hast du deine Freiheit, einen Employ zu erwählen, so dir gefällig. Nur bedenke immer, wozu du capable bist.«
Das Geschlecht.
Das Wort »Lieben« wird durch jeden Zusatz schwächer. »Ich liebe dich wie mein Leben!« – oder »Ich liebe dich sterblich!« – ist lange nicht so viel, wie das einfache: »Ich liebe dich!«
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Lieben heißt, nur um eines einzigen Menschen willen auf Erden sein, für ihn nur athmen und wachen, ihm jede Freude, die uns beschieden, voll und ganz abtreten, jeden Schmerz, der ihn treffen könnte, auf uns voll und ganz übernehmen, seiner äußern Erscheinung, selbst wenn sie die Welt wenig würdigt, Schönheiten abgewinnen, die Niemand zu sehen die rechten Augen hat, seineminnern Wesen, ob ihm auch die Größe der bevorzugten Geister fehlt, gerade dasjenige ablauschen, was, wenn es den bevorzugten Geistern fehlen sollte, diese vor dem Geliebten herabsetzen würde, für jeden Fehl, der an einem, wie wir alle, nun einmal Menschlichgearteten nicht weggeläugnet werden kann, eine neue Tugend als Ersatz entdecken, ihn in seiner Stimmung nehmen wie das Wetter, das wir uns von Gott so müssen wie gegeben gefallen lassen und für alles das die lohnende Gegenliebe nicht darin finden, daß der Geliebte uns ganz ebenso wieder liebt, uns die gleiche Form der Liebe widmet, nein, nur daß er die Form duldet und nicht stört, die unsre eigene Erquickung, Erhebung, unser Leben ist.
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Die wahre Liebe ist die treue Begleiterin der Alltäglichkeit.
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Sei dir doch ja die Liebe kein »räthelhaftes« Gefühl. Du sollst suchen, dir klar zu machen, warum du liebst.
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Anatomisch genommen lieben wir nicht mit dem Herzen, sondern eben so, wie wir denken, nur mit dem Kopf. Darum sollte man nur da von einem »gebrochenen Herzen« sprechen, wo bereits die Saiten der Vernunft gerissen sind und der Geist sich in dunkeln Wahn verhüllte.
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Die Täuschungen der ersten Liebe sind darum so rührend, weil sie uns meistentheils auch zugleich den ersten schönen Glauben an die Bestimmung der Erde und den höheren Werth der Menschennatur rauben.
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Eine Freundin raubt ihrer Freundin durch Hinterlist und Koketterie den Geliebten – man glaubt sich in die Wüste versetzt unter Tiger und Hyänen.
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Ach,
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