Vom Dämon gezeichnet - Rowland, D: Vom Dämon gezeichnet
es so eine Art weltweiter Überwachung?«
»Nein, es gibt keine mächtige Illuminati-ähnliche Verschwörung oder dergleichen.« Ich grinste. »Tessa hat Glück gehabt. Sie war in der öffentlichen Bücherei von New Orleans, und eine der Bibliothekarinnen sah, welche Bücher sie sich holte. Die Bibliothekarin war zufällig eine Beschwörerin.« Ich hob die Hände. »Die Frau war schon älter und hatte sich bereits zurückgezogen, deswegen konnte sie Tessa nicht als Schülerin annehmen. Aber sie war in der Lage, jemanden zu finden, der dazu bereit war.«
Ich ging nicht weiter ins Detail, wie viel Glück dazu tatsächlich nötig gewesen war. In den vergangenen Jahren war in mir der Verdacht gewachsen, dass die Dämonen ihre Hand dabei im Spiel hatten, Leute ausfindig zu machen, die beschwören konnten. Aber ich hatte dafür keinerlei Beweise, es war einfach nur so ein Bauchgefühl.
Er schwieg einen Moment. »Und was haben nun Gut und Böse damit zu tun?«, fragte er schließlich.
»Gar nichts. Ich meine, nicht in der Art und Weise, wie wir es definieren. Die Dämonen sind nicht böser als Hexen. Und glauben Sie mir, jeder mir bekannte Anhänger des Wicca-Kultes würde ebenfalls niemandem etwas tun. Im Allgemeinen ist es schon möglich, die Dämonen ganz generell einzuteilen und zu sagen, dieser Fürst ist böse oder der ist gut, aber das bedeutet nur, dass sein Verhalten und seine Taten in ein Muster passen, das wir Menschen als akzeptabel oder inakzeptabel betrachten. Es geht dabei jedoch um noch so viel mehr.«
»Wie zum Beispiel?«
»Nun, was wir vielleicht als inakzeptabel betrachten, ist nur die Art, wie jemand mit seiner Vormachtstellung oder Ehre umgeht. Und umgekehrt. Manches, was wir akzeptabel finden, kann für sie ein Fluch sein, nur wegen der Art und Weise, wie es durchgeführt wird.« Ich schüttelte den Kopf. »Ihre Moral und ihr Ehrenkodex sind unglaublich komplex. Ehrenschulden werden als absolut bindend betrachtet, und sich zu weigern, eine Ehrenschuld zu begleichen, ist in ihren Augen äußerst böse.« Ich spreizte die Finger. »Wenn Sie also irgendetwas verbocken und einen Dämon in eine Situation bringen, in der er seine Ehre einbüßt, werden Sie aus Vergeltung abgeschlachtet.«
»Was das Konzept der Rache angeht, sind sie dann also ziemlich zuverlässig, richtig?«
»Ja«, erwiderte ich so beiläufig wie möglich. Als ich dreiundzwanzig war, hatte ich erfahren, wie wichtig Rache für Dämonen ist. Ich war damals bei der Polizei noch eine Anfängerin. In einem Fall von Belästigung waren Beweise vor Gericht nicht zugelassen worden, und der Beschuldigte war davongekommen. Ich hatte nichts mit dem Fall zu tun, aber ich kannte den Angeklagten, weil ich zwölf Jahre zuvor einen Monat lang im Haus seiner Eltern gelebt hatte.
Ich hatte Tessa davon erzählt, von ihm. Hatte ihr alles berichtet. Und beim nächsten Vollmond beschwor sie einen Syraza , der uns seine Dienste schenkte, nachdem ihm alles erklärt worden war. »Ja, Dämonen nehmen Vergeltung sehr ernst.«
Ryan griff nach dem Messer und schnitt sich ein Stück Cheddar ab, obwohl er zögerte, seinen Gaumen mit meiner Billigsorte zu beleidigen. Aber offenbar war er hungrig genug, um es zu riskieren.
»Manche Menschen denken ebenfalls so, wissen Sie«, sagte er. »Was böse ist, hängt oft vom Standpunkt ab.« Misstrauisch beäugte er den Käse und versuchte damit ganz sicher anzudeuten, dass mein milder Cheddar böse war.
»Nun ja«, sagte ich, während ich ihm das Messer aus der Hand nahm, »aber um meinen Job machen zu können, versuche ich, die Dinge aus der Sicht einer zivilisierten Gesellschaft zu sehen. Mord ist böse. Leuten etwas anzutun, die einem nichts getan haben, ist auch böse. Dinge an sich zu nehmen, die einem nicht gehören, ebenfalls.« Ich lächelte süß und stieß das Messer in das Käsestück. »Und sich über den Käse anderer Leuten lustig zu machen auch.«
Er lachte. »Okay, okay. Und Serienmörder zu fangen, ist gut, richtig?«
Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück. »Das hoffe ich zumindest.«
»Müssen Sie also irgendetwas Bestimmtes für Rhyzkahl tun, damit er in Ihre Träume kommt?«
»Nein. Ich meine, ich weiß nicht, ob es irgendetwas gibt, was ich tun kann. Er ist dreimal zu mir gekommen seit … äh … der Beschwörung vor drei Wochen.« Vor mehr als drei Wochen, was bedeutete, dass wir nur noch weniger als eine Woche bis zum nächsten Vollmond hatten. Die Zeit lief uns davon, und zu viele Fragen
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