Vom Dämon gezeichnet - Rowland, D: Vom Dämon gezeichnet
gefärbt, aber ich konnte mich beim besten Willen nicht an ihren Namen erinnern.
»Ja, aber es ist ihm lediglich gelungen, ein Fenster neben der Tür einzuschlagen.«
Die Frau in der Zentrale lachte. »Da hat er sich ja genau das richtige Haus ausgesucht!«
Wenn du wüsstest , dachte ich. »Ohne Witz«, sagte ich stattdessen. »Zum Glück hat mich der Lärm geweckt.«
»In Ordnung, ich schicke eine Streife vorbei.«
Ich legte das Telefon zur Seite und umfasste meine Knie, während ich zum Mond hinaufblickte, der durch eine dünne Wolkendecke voll und hell auf mich herunterschien. Eine laue Brise raschelte in den düster aufragenden Bäumen und trug den schweren Duft von Erde und Kiefer zu mir herüber. Ich fröstelte etwas und schlang die Arme um meinen Oberkörper, während ich dem leisen Summen einer Mücke und dem Gesang einer Grille ganz in der Nähe lauschte. Ein Gefühl von Frieden und Glück breitete sich in mir aus. Ich hatte schon mein ganzes Leben in diesem Haus verbracht – mit Ausnahme jenes schrecklichen Monats, nachdem mein Vater von einem betrunkenen Autofahrer getötet worden war. Ich war elf Jahre alt gewesen und bei Pflegeeltern untergebracht worden, bis meine Tante Tessa aus Japan zurückkommen konnte, um sich als Vormund um mich zu kümmern. Meine Mutter war schon drei Jahre zuvor an Eierstockkrebs gestorben. Man hatte ihn viel zu spät entdeckt. Und andere Verwandte, die sich meiner hätten annehmen können, gab es nicht – nicht einmal enge Freunde. Meine Tante war damals nicht besonders erfreut darüber gewesen, denn sie hatte mich bis zu jenem Zeitpunkt nur ein einziges Mal gesehen, und da hatte ich noch Windeln getragen. Aber sie hatte getan, was in ihrer Macht stand, um mich zu beschützen. Sie war zu mir in dieses Haus gezogen, damit ich nicht aus meiner vertrauten Umgebung gerissen wurde, denn sie wusste, dass die Trauer mit der Zeit vergehen, aber das Gefühl von Heimat bleiben würde.
Ich war jetzt fast dreißig und begriff endlich so langsam, wie wichtig dieses Gefühl für mich war. Ich liebte das Leben hier draußen einfach, weit weg von der Stadt. Das Haus stand an einer selten befahrenen Straße, meine Zufahrt war lang und gewunden, und der nächste Nachbar war fast zwei Kilometer entfernt. Es war das perfekte Haus für jeden, der seine Privatsphäre schätzte.
Erst nachdem ich fünfzehn geworden war, erfuhr ich den anderen Grund, der meine Tante Tessa dazu veranlasst hatte, mich in diesem Haus großzuziehen. Sie beschwor nämlich Dämonen, und der Keller dieses Hauses eignete sich ideal für eine Beschwörungskammer.
Ein paar Minuten später kam der Dämon vom Himmel herabgeschossen und landete leichtfüßig direkt vor mir. Seinen aschfahlen Gefangenen hielt er an einem Fuß in die Luft. »Ich glaube, er ist ausreichend eingeschüchtert.«
Es war wirklich schade, dass ich nicht allen Verbrechern, die ich verhaftete, eine solche Behandlung zukommen lassen konnte. Wahrscheinlich hätten wir dann entschieden weniger Wiederholungstäter. Ich legte dem Mann, der keinerlei Widerstand leistete, Handschellen an. Ich ließ ihn auf der Veranda zurück, wo er winselnd mit auf dem Rücken gefesselten Händen liegen blieb, dann wandte ich mich wieder dem Dämon zu. »Ich danke dir, Kehlirik.«
Der Dämon sank langsam auf ein Knie nieder. »Beschwörerin, heute war das erste Mal, dass Ihr ohne Hilfe einen Reyza gerufen habt, oder?«
Ich nickte argwöhnisch. Hatte ich etwas falsch gemacht?
Er schnaubte und blähte die Nasenflügel. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr mich nur gerufen habt, um einen Einbruch zu vereiteln. Gab es noch ein anderes Begehren für Eure Beschwörung?«
Ich rieb mir den Nacken. »Ich … hatte gehofft, dass ich lernen würde, wie man ein Portal umkehrt, ohne es erst schließen und dann wieder öffnen zu müssen.« Das war der Grund, warum man sich die Mühe machte, die Dämonen von den höheren Ebenen zu beschwören. Wenn man geschickt mit ihnen verhandelte, waren sie durchaus dazu bereit, ein gewisses Maß ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten weiterzuvermitteln.
Der Dämon tippte nachdenklich mit den Klauen gegen sein Bein. »Und Ihr wart dazu gezwungen, das Portal zu schließen, als ich mich Eurer Kontrolle entzogen habe, um den Eindringling zu fassen. Vergebt mir. Ich hätte mich zuerst nach Euren Wünschen erkundigen sollen.«
»Nein, es ist alles in Ordnung«, versicherte ich ihm, ziemlich geschockt von seiner Entschuldigung. »Glaub mir, ich
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