Vom Daemon verweht
holte tief Luft und atmete langsam aus. Dann holte sie noch einmal Luft, während sie die Augen schloss. Ich zählte in Gedanken langsam bis zehn, und tatsächlich öffnete sie die Augen genau, als ich zu Ende gezählt hatte. Sie blickte zum Strand hinunter. »Ich werde diesen Abend nicht mit Paul Dupont verschwenden«, sagte sie entschlossen. »Ich will meine Tochter sehen, und ich werde Paul fragen, wenn er nach Hause kommt, was er da gemacht hat. Vielleicht hat er ja eine Erklärung parat, weshalb er mit einer Frau in San Diablos romantischstem Hotel zu Abend isst, während er gleichzeitig behauptet, nicht in der Stadt zu sein. Solange seine Schuld nicht bewiesen ist, sollte ich ihn nicht verurteilen – oder was meinst du dazu?«
Ich sah seine Schuld für bewiesen an. Aber wie es sich für eine beste Freundin gehört, nickte ich beruhigend. »Ja, das solltest du nicht.«
»In Ordnung.« Sie ging weiter. »Wir müssen uns beeilen. Ich will schließlich nicht die Hotdogs verpassen.«
Wir gingen den Rest des Weges schweigend nebeneinander her. Laura schien sich auf ihre Schritte zu konzentrieren. Es gelang ihr, ohne weitere Zwischenfälle den nördlichen Teil des Strandes zu erreichen, wo die Promenade direkt in den Sand überging. Hier begannen die Klippen. Wir hörten Musik und sahen, wie der Rauch von einem offenen Feuer, das direkt neben einigen Gezeitentümpeln entfacht worden war, in die Luft stieg. Überall standen Jugendliche herum. Einige tanzten, andere rannten kreischend in die Brandung, wiederum andere surften.
»Riecht lecker«, meinte Laura mit einer unnatürlich hohen und fröhlichen Stimme. »Ich habe einen Riesenhunger.«
»Ich auch.«
Nachdem wir einige weitere Minuten schweigend nebeneinander hergelaufen waren, fragte sie: »Also – warum glaubst du, dass sie scharf darauf sind?«
Ich gab nicht einmal vor, nicht zu wissen, wovon sie sprach. Wir redeten wieder über das Buch, und zwar sowohl deshalb, weil es ein Problem war, das es zu lösen galt, als auch um nicht mehr länger an Paul denken zu müssen. »Ich wünschte, ich wüsste es«, erwiderte ich. »Vielleicht wollen die Dämonen von San Diablo ja ein Poesiealbum anlegen.«
»Die Maschinerie hat sich bereits in Bewegung gesetzt«, flüsterte Laura und zog sich den Pulli fester um die Schultern.
»Habe ich auch schon läuten gehört«, entgegnete ich trocken. »Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wie das verdammte Ding zu stoppen ist.«
»Du weißt, dass du meine beste Freundin bist, also verstehe das jetzt bitte nicht falsch. Aber manchmal sehne ich mich wirklich nach den Zeiten zurück, als unsere schwierigsten Entscheidungen darin bestanden, welchem Fitnessstudio wir beitreten, oder als das dunkelste, mir bekannte Geheimnis die Tatsache war, dass Jennifer Tate das Ritalin ihrer Tochter genommen hat.«
Ich warf Laura einen überraschten Blick zu. »Wirklich? Hat sie?«
Ihre Wangen röteten sich. »Hast du das denn nicht gewusst?«
»Nein, ich hatte keine Ahnung. Warum hast du mir nichts davon erzählt?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Es war ein Geheimnis. Ich verrate keine Geheimnisse. Das weißt du doch.«
Das wusste ich tatsächlich. Aber trotzdem. »Das Ritalin ihrer Tochter also?«
»Psst«, zischte Laura und schaute sich hastig um, ob sich jemand in Hörweite befand. »Vergessen wir es einfach. Erzähl mir lieber, wie wir jetzt mit deinem Geheimnis weitermachen sollen.«
Es blieb uns jedoch keine Zeit, darüber nachzudenken, da wir inzwischen über den Felsen geklettert waren, der die Gezeitentümpel vom restlichen Strand trennte. David Long winkte uns zu. Er stand nur wenige Meter von uns entfernt und fasste in eine Kühlbox. Mit zwei Flaschen, die verdächtig nach Bellini aussahen, kam er auf uns zu.
Diesmal hatte er seinen Stock nicht dabei, bewegte sich aber dennoch sehr geschickt, auch wenn er etwas hinkte. Als er zu uns trat, brodelte ich innerlich bereits. Das hier sollte eine Schulparty sein! Der Lehrer musste mit gutem Beispiel vorangehen und nicht jedem Erwachsenen, der hier auftauchte, gleich Alkohol in die Hand drücken. Durften die älteren Jahrgänge vielleicht schon Bier trinken? Und was war mit unseren Schulneulingen?
Ich wollte meinem Ärger gerade Luft machen, als er mir die Flasche in die Hand drückte. »Hier – für Sie, Mrs. Connor.« Ich las, was auf dem Etikett stand, und meine Wut löste sich in Luft auf. Mineralwasser.
Etwas kleinlaut nahm ich einen Schluck. »Danke«, sagte ich.
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