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Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest

Titel: Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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Geschmack sein, wie ließe sich die glühende Begeisterung in deinem Blick sonst deuten, damals in Potsdam, als du merktest, da sitzt jemand im Publikum, dem sich deine Worte so einfach erschließen.
    Zu Hause habe ich mir einen vernünftigen Platz am Fenster zum Sitzen und Denken eingerichtet, du sagtest in einem |53| Interview, du bräuchtest zum Arbeiten deinen alten Schreibtisch und viel Himmel im Blick, und da könnte es dich interessieren, wie dieser Ort bei mir aussieht. Ich muß nicht erwähnen, daß deine Romane einen prominenten Platz in meiner Bücherwand gefunden haben. Davor steht ein Kirschholztisch mit einer sehenswerten Schreibtischlampe. Das Zimmer liegt im zweiten Stock, ich wohne noch immer in der rechten Hälfte eines Doppelhauses, das Fenster geht auf den Garten hinaus. Dahinter führt die Anliegerstraße entlang, in der Ferne ist der Kanal zu sehen. Leider wurden die mächtigen Pappeln, die das Ufer säumten, vor einigen Wochen abgeholzt. Sonst hätte ich mir zu Weihnachten wieder ein paar Mistelzweige von dort geholt. Aber der Himmel ist größer geworden, und daß dir das gefallen würde, tröstet mich.
    Würdest du ausnahmsweise doch einmal zu Besuch kommen wollen, würdest du dich wohl lustig machen darüber, daß ich mich in eine winzige Kammer unter dem Dach zurückgezogen habe, obwohl es doch genug leere Zimmer im Haus gibt.
    Aber ich möchte dich nicht weiter aufhalten. Ich hoffe nur, dir heute ein interessantes Thema geboten zu haben, und bin neugierig auf deine Antwort. Um mir mein eigenes Warten zu erleichtern, erlaube ich mir, dir diesmal eine kleine Frist zu setzen. Mein Schicksal liegt in deinen Händen. Wenn du in vier Wochen immer noch nicht reagiert hast, werde ich wissen, daß mein Warten vergeblich ist.«
     
    Das heutige Datum, der 23.10., weist darauf hin, daß diese Frist abgelaufen ist.
    Das Fenster ist offen. Draußen die Nacht, eine tiefe Ruhe, jetzt, wo keine Tiere mehr da sind. Der erste Kälteeinbruch |54| hat sie in den Winterschlaf getrieben. Nur ein herrenloser Hund ist noch wach. Er bellt zu den Tauben im Verschlag unterm Dach des Nachbarn hoch. Wenn ein letztes Blatt durch den Bereich des Bewegungsmelders treibt, springt die Außenbeleuchtung an.
    Letzte Woche wurde eine Taube von einem Habicht angegriffen. Die Taube hatte die Einflugklappe am Verschlag nicht schnell genug gefunden und war nervös um das Dach gekreist. Der Habicht stand hoch am Himmel, ein brauner Schatten. Er verausgabte sich nicht. Erst, als die Taube vor Schwäche erlahmte, stieß er auf sie herab. Er schlug ihr seine Krallen in den Körper und brach ihr das Genick.
    Am Morgen waren nur ein paar blasse Blutstropfen auf der Terrasse zu sehen, ein unscheinbares Zeugnis für diesen Kampf um Leben und Tod. Später fand ich dann Federn überall auf dem Gras.
    Beim Zusammenharken der Federn war ich nicht sicher, für wen ich mehr Verachtung empfand: für den Habicht und seine Gier oder für die Schwäche der Taube. Im Grunde hasse ich den elenden Kreislauf, den sie vorführen. Den Kreislauf von Demütigung und Macht.
    Ich habe mir eine Kanne Tee gebrüht. Ich bin kein Schriftsteller. Das Längste, was ich je geschrieben habe, war der dreiseitige Antrag zur Rückerstattung von Fahrtkosten für eine Dienstreise. Es ist ein irrwitzes Vorhaben. Es quält mich. Die Langsamkeit, mit der es vorangeht, die ständigen Stockungen, diese Ideenlosigkeit zwischendurch quälen mich.
    Es nicht zu versuchen, quält mich noch mehr. An den Geschichten zu arbeiten, gibt mir wenigstens das Gefühl, daß ARS in der Nähe sei.
    Solange mir nichts einfällt, mache ich Notizen. Die Notizen halten mich davon ab, nächtelang ins Leere zu starren. |55| Dann verliert sich der Blick in der Dunkelheit. Oder er stößt an eine Spiegelung im Fenster, die ihn wie zum Hohn zurückwirft.
    Und dann höre ich sie, ich höre, wie ARS belustigt sagt, sie wisse auch nicht, wie das gehe mit dem Schreiben. Daß sie bloß so tue als ob.
    So zu tun als ob, fällt allerdings auch nicht leichter. Es ist, als gleite man in ein Delirium ab. Obwohl ich mich ausschließlich an ARS Briefe halten, mich an ihren Ansichten und Meinungen orientieren will, geraten ständig eigene Erlebnisse dazwischen. Mein Besuch beim Homöopathen vorige Woche. Eine Dokumentation über Spielsucht, die gestern im Fernsehen lief. So kommen Tollheiten zustande, bei denen ich den Überblick verliere, und das Gesamtwerk läuft aus dem Ruder.
    Noch schwieriger wird es, wenn

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