Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest
schimmeliger Geruch ausgeht. Absurd, daß ich das erst heute bemerkte, als ich vom Spaziergang ins Zimmer zurückkam!
|196| Ein Fremder muß in den letzten Jahren die Tür zu diesem Zimmer geöffnet haben. Ein Fremder hat versucht, sich einzureden, das Verlorene nicht vor dem Vergessen retten zu müssen. Ein Fremder hat geglaubt, das Verlorene sei in den Erinnerungen einer jungen Frau gut aufgehoben.
Nur wenn man so jung ist wie ARS, läßt sich ohne weiteres behaupten, was sie damals an jenem Oktobertag im Buchladen so forsch behauptet hatte. Nur wenn man so jung ist, liegt ein Reiz darin, sich an Dinge erinnern zu wollen, die nicht passiert sind. Denn eigentlich, und nicht erst seit dem Weggang der Frau, besteht das Problem doch darin, daß zu viele Dinge passiert sind. Zu vieles ist bereits geschehen, an das erinnert werden will, zu vieles, was erlebt und worüber sich gefreut oder was verflucht wurde. Das ist es doch: Die Erinnerung an ein gefülltes reiches Leben hält mich fest. Sie hält mich in dem, der ich bin. Oder geworden bin.
Und ist es nicht auch so, daß diese Erinnerung geschützt werden muß? Wird sie nicht sowieso schon allzu leicht ersetzt durch Ereignisse, die mir gar nicht widerfahren sind? Ereignisse, die bis heute nichtssagend geblieben sind, Ereignisse, blaß wie Winterlicht, aber kaum von dieser zerbrechlichen Schönheit? Ereignisse, die trotzdem mittlerweile wie selbstverständlich an die Stelle des eigentlich Erinnerten gerückt werden? Vielleicht sogar gerückt werden müssen, wenn weitergemacht werden soll? In diesem Land, an diesem Ort, in diesem Leben?
Und es soll ja weitergemacht werden.
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