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Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest

Titel: Vom Dorf - Abenteuergeschichten zum Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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würde, wenn ich jemanden an den Ereignissen des Abends teilhaben ließe. Der Makler schien mein Zögern für ein Ausweichen zu halten und begann von drei millionenschweren Taschenlampenerfindern aus Amerika zu reden, die den Pfingstberg hätten kaufen wollen. Mein Blick fiel erneut auf das Firmenlogo. Und da geschah etwas, das sich an diesem Tag noch einmal wiederholen sollte: Ich bemerkte Zeichen. Zeichen, die mir sagten, daß ich auf dem richtigen Weg war. Die andeuteten, daß sich mit mir gerade eine Veränderung von großer Tragweite vollzog. Es war kein Zufall, daß ich ausgerechnet hier vorbeigekommen war. Ich hatte das Zeichen bemerken sollen, ein Zeichen des Neuanfangs. Nichts wies deutlicher darauf hin als der Name
alpha
.
    Als der Makler aus dem Sessel federte, um sich ein |48| Wasser zu holen, wollte ich meine Erschütterung vom Vorabend beschreiben. Mir wurde jedoch bewußt, daß ich zu nichts als einem Stottern in der Lage war. Das, was mich so getroffen hatte, schien ausformuliert peinlich zu werden. Ich hätte nicht die richtigen, ich hätte keine abgekühlten Worte gefunden.
    Noch vor Monaten hätte ich ihm vielleicht dennoch davon erzählt. Aber jetzt schien sich die Situation geändert zu haben.
    Ich hatte kein Anliegen mehr, das er befriedigen konnte. Unser Vertrautsein bezog sich allein auf die Erinnerung an damals. Zu dieser Erinnerung gehörte die Frau. Wir waren damals gemeinsam auf der Suche nach etwas Eigenem gewesen. Wir hatten uns zusammen Häuser im Grünen, an Fernverkehrsstraßen, in Stadtzentren kleiner brandenburgischer Orte angesehen, wir wollten aus unseren sechzig Quadratmetern Plattenbau raus.
    Zu Zeiten der Frau wäre mir so eine Begegnung im Buchladen wohl nie passiert. Hätte ich jetzt von ARS gesprochen, hätte ich dieses Vertrautsein von damals zerstört.
    Die Erschütterung und das brennende Einverständnis mit ARS gehörten in eine andere Vorstellungswelt, vielleicht schon zu einem anderen Menschen.
    Der Buchhändler benahm sich, wie zu erwarten gewesen war, schlecht. Er trug dieselbe Kleidung wie am Abend zuvor, und es ist anzunehmen, daß er mit seinem Halstuch, das über und über mit dem Greenpeace-Symbol bedruckt ist, auch schläft.
    Besonders unangenehm war, daß er mich duzte, als sei ich seinesgleichen.
    »Nee, Kumpel. Wieso glaubst du, sie würde ausgerechnet dir was hinterlassen?« Ich wies ihn kühl darauf hin, daß ARS angedeutet hatte, mich sprechen zu wollen. Das |49| schien mir angesichts seiner Ignoranz als Erklärung vollkommen ausreichend. ARS hätte sich ähnlich verhalten. Sie strahlt die Distanz einer grundsätzlich Unbeteiligten aus. Als würde sie die Menschen und auch sich selbst nur aus der Ferne betrachten. Vielleicht rührt daher meine Verbundenheit mit ihr, auch wenn sie bisher nicht erwidert wird.
    Der Buchhändler zuckte mit den Schultern. Höhnisch sagte er: »’ne kleine Wahrnehmungsstörung, hm? – Hier«, sagte er dann, »vielleicht willste ja das wiederhaben«, und er schob mir die Quittung mit meiner eigenen Telefonnummer zu.
    Ich weiß nicht, wie er in den Besitz dieses Zettels gelangt war. Aber bis heute glaube ich, daß es eine Nachricht von ARS gegeben hat. Den Zettel mit der Nummer mochte sie vergessen oder verlegt haben, aber es war an diesem Abend zuviel geschehen, als daß sie mir keine Nachricht hinterlassen haben würde. Dieser schlampige Bürgerrechtler wollte sie mir nur vorenthalten. Hätte ich die Nachricht damals bekommen, wäre vieles anders verlaufen. Vielleicht hatte sie damals etwas Entscheidendes notiert und hält es bis heute für ein unverzeihliches Versäumnis, daß ich darauf nicht reagierte.
    Und noch etwas stärkt mein Vertrauen darauf, daß ich recht habe. Auch der Buchhändler gab mir, natürlich ohne, daß er es gewollt hätte, ein Zeichen. Noch bevor ich den Laden verlassen hatte, drehte er die Musik auf. Er wollte mir zeigen, wie überflüssig meine Anwesenheit war. Aber manchmal bewirken die Leute mit dem, was sie tun, mehr, als sie ahnen. Das Lied hat sich mir eingeprägt. Besonders eine Zeile ist von da an zur ständigen Begleiterin geworden:
    Whoever speaks to me in the right voice, him or her I shall follow
. Meine Englisch-Kenntnisse sind dürftig. Aber |50| die Zeile rumorte in meinem Kopf, und im Laufe des Abends ging mir doch ihre Bedeutung auf; ARS hatte in der richtigen Stimme gesprochen. Sie hatte auf eine Weise gesprochen, die einen Nerv traf.
    Him or her I shall follow.
    Ich nahm sie beim

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