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Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Titel: Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvester Walch
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keine gängige sinnliche Wahrnehmung beschreiben könnte. Manchmal weiß man spontan, wer anruft, wenn das Telefon klingelt. Wenn Kinder sich fern der Heimat aufhalten und ihnen etwas zustößt, berichten Eltern, dass sie zu jenem Zeitpunkt ein mulmiges Gefühl verspürten. Wenn über parapsychologische Themen diskutiert wird, berichten erstaunlich viele Menschen von Erfahrungen, in denen sie jenseits der bekannten Sinneskanäle Wissen erlangten. Sie sprechen von Ahnungen, Wahrträumen, Hellsehen, zweitem Gesicht oder Visionen. Charakteristisch ist ein Durchbrechen der vertrauten Grenzen von Räumlichkeit, Zeitlichkeit, Kausalität und Dreidimensionalität. Das Bewusstsein scheint in der Lage zu sein, sich so zu verändern oder zu erweitern, dass es Zugang zu einer anderen Wirklichkeit bekommt. Diese subtile Welt ist näher, als man vermutet, und bricht manchmal unerwartet auf. William James (1982, S. 366), der Begründer der Religionspsychologie, der außergewöhnliche Zustände untersucht hat, kommt zu der Erkenntnis, dass »… der alltägliche Wachbewusstseinszustand, das rational-empirische Bewusstsein, … nur ein besonderer Typ von Bewusstsein ist …, während überall jenseits seiner, von ihm durch den dünnsten Schirm getrennt, mögliche Bewusstseinsformen sind, die ganz andersartig sind … und unser Sein tief beleben können«.

    Übersinnliche Phänomene oder PSI-Effekte gelten heutzutage als bewiesen. Die entsprechenden Theorien, weshalb und wie genau parapsychologische Wahrnehmungen zustande kommen, weisen jedoch noch große Lücken auf. Das macht diesen Grenzbereich auch für ein breites Spektrum von Halbwahrheiten und missbräuchlicher Verwendung anfällig. Dem kommt auch entgegen, dass Menschen von jeher einer gewissen Faszination erliegen, wenn es darum geht, die Zukunft auszuforschen. Denn wer erfährt nicht gerne, welcher Partner einem vorherbestimmt ist, welche beruflichen Aufgaben in Zukunft warten oder woher bestimmte Probleme kommen und wie man sie ohne eigenes Zutun zu lösen vermag. Die Neigung, einfache und rasche Lösungen zu bevorzugen, lässt die Schwächen und Unannehmlichkeiten, denen paranormale Wahrnehmungen ausgesetzt sind, in den Hintergrund treten. Wenn man sie nämlich eins zu eins in ein dreidimensionales und kausales Verständnis überträgt, gerät man leicht in eine Sackgasse. In die Zukunft zu sehen oder über Ortsgrenzen hinaus Ereignisse wahrzunehmen ist zwar möglich, aber nicht ohne weiteres herstellbar oder objektiv zu fassen. Zudem können die zugänglichen paranormalen Informationen jederzeit durch Projektionen, Wunschvorstellungen oder Probleme des Mediums entstellt werden. Oftmals werden aber auch Aussagen formuliert, die für die meisten Menschen zutreffen. So zum Beispiel, wenn ein Hellseher einem Ratsuchenden tief in die Augen blickt und verkündet, dass er immer wieder Probleme zu bewältigen habe, manchmal unter Angst leide oder mit sich selbst nicht im Reinen ist.
    Dann gibt es noch zwei Effekte (vgl. Lucadou, 1995), die erheblich einen sachgerechten Umgang mit diesen Phänomenen erschweren. Zunächst muss man sich damit abfinden, dass übersinnliche Wahrnehmungen instabil, unverlässlich und nicht beliebig wiederholbar sind. Sie widersetzen sich unserer Kontrolle, so dass sie kaum absichtsvoll oder zielgerichtet eingesetzt werden können. Dann treten auch immer wieder unerklärliche Verschiebungen bezüglich Zeiträumen, Ortsangaben oder Personen auf. So kann ein Hellseher eine Krankheit erspüren; bei genauerer Analyse handelt es sich aber um die Beschwerden des Bruders. Oder ein Unfall, der in der Vergangenheit eines Klienten gesehen wurde, ereignete sich tatsächlich, aber in der Zukunft. Dann scheinen Häufigkeit, Dauer und Intensität von außersinnlichen Wahrnehmungen nicht unabhängig vom Lebenswandel und vom Ego. Sensitive Menschen verlieren ihre Fähigkeiten, wenn sie nur eigensüchtige Zwecke verfolgen. Ich habe das schmerzlich erfahren müssen.
    Als junger Erwachsener sah ich Situationen oft detailliert voraus: ob es nun Prüfungsthemen in der Schule, bedeutsame Begegnungen oder auch Probleme von nahestehenden Personen waren, über die ich nichts wissen konnte. Ich war so davon fasziniert, dass ich gerne und oft darüber sprach. Auch wollte ich beim Glücksspiel davon profitieren. Nach einiger Zeit verlor ich diesen Zugang zur anderen Welt und wollte dies anfangs nicht wahrhaben. Nach heftigen Auseinandersetzungen und Krisen brach ich

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