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Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Titel: Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvester Walch
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außer selbst der Stärkste, Beste und Größte zu sein. Entweder man fügt sich dieser Dynamik, oder die Freundschaft wird aufgekündigt. Partner, Freunde oder berufliche Weggefährten geraten unversehens in eine Loyalitätsfalle, sobald sie beginnen, andere Menschen zu schätzen.
    Wie oft geschieht es, dass ein Parteivorsitzender seinen Stellvertreter mobbt und ihn durch gezielte Indiskretionen zu Fall bringt, nur weil dieser bei einer Abstimmung seinem Gewissen folgte und sich nicht mehr verleugnete. Unter diesen Umständen ist eine würdevolle Beziehung, die auf Gegenseitigkeit beruht, kaum möglich. Immer, wenn die selbstbezogenen Wünsche nicht erfüllt werden, kommt es zu erbitterten Vorwürfen oder theatralischen Auftritten. Nicht selten werden Konflikte provoziert, Dramen inszeniert oder Krankheiten vorgetäuscht, um im Zentrum des Interesses zu stehen.
    Der psychodynamische Dreh- und Angelpunkt des egomanischen Komplexes sind die tiefsitzende Angst vor dem Verlust von Anerkennung und Liebe sowie der fehlende Selbstwert, der durch erzwungene Anerkennung ausgeglichen werden soll. Die fortwährende Achtlosigkeit und fehlendes Mitgefühl lassen Freundschaften verkümmern.
    Eine Veränderung dieses Ego-Komplexes ist erfahrungsgemäß außerordentlich schwer, weil man gefordert ist, die Bestätigung nicht mehr nur im Außen zu suchen, sondern die inneren Werte zu erkennen. Darüber hinaus wird Betroffenen diese Dynamik häufig nicht bewusst, so dass diesem Ego-Komplex allein mit Übungen nicht beizukommen ist. Statt Agieren ist Innehalten gefordert, um sich selbst und andere wieder angemessener wahrnehmen zu können. Auf dieser Basis können sich Achtsamkeit, Mitgefühl und ein unverfälschter Selbstwert entfalten. Da dieser Ego-Komplex weitgehend unbewusst agiert wird, stehen der Einsichtsgewinnung ziemliche Widerstände entgegen.
1. Bereiten Sie sich bitte detailliert auf diese Reflexion vor. Wir achten zunächst auf die Position, die locker und gleichzeitig konzentriert sein soll. Den Atem jetzt etwas tiefer gehen lassen und innerlich allmählich ruhiger werden. Dann stellen Sie sich vor, wie der Atem das Herz öffnet und ein angenehmes Gefühl erzeugt.
 
2. Gehen Sie bitte der Frage nach, ob Sie unruhig werden, wenn Sie in Gesellschaft nicht genügend oder wenig Beachtung finden.
 
3. Verstummen in Ihrer Gegenwart Gesprächspartner?
 
4. Sind Sie tief enttäuscht, wenn für Sie wichtige andere von Ihnen abweichende Bedürfnisse haben?
 
5. Entstehen um Sie herum immer wieder unauflösbare Verstrickungen?
 
6. Wenn Sie diese Fragen für sich beantwortet haben, bitte ich Sie, für zwanzig Minuten zu meditieren. Konzentrieren Sie sich dabei auf Ihren Atem.
 
7. Nach der Meditation nehmen Sie einfach wahr, was Sie gerade empfinden. Dann stellen Sie sich einen Ihnen wichtigen Menschen vor und identifizieren Sie sich mit ihm: Wie könnte sich dieser Mensch bei der letzten Begegnung mit Ihnen gefühlt haben? Wie geht es ihm zurzeit?
    Grundsätzlich will das Ego stets eine bestimmende Rolle spielen. Deshalb müssen Lebensprozesse, die diesem Ziel im Wege stehen, kontrolliert und manipuliert werden. Die Dominanz des Ego behindert dadurch das organische Zusammenspiel innerer und äußerer Kräfte. Wenn die synergetische Balance aus dem Gleichgewicht gerät, wird eine adäquate Lebensentfaltung erschwert.
    Besonders zeigt sich dieses Phänomen in der Krise der Lebensmitte, einem herausfordernden Lebensabschnitt für die Ego-Transformation. Der nun sichtbare Alterungsprozess ist anzuerkennen, manche Visionen müssen losgelassen und das bisherige Leben sollte einer Zwischenbilanz unterzogen werden. Die Betonung äußerer Werte ist zugunsten innerer Qualitäten zurückzunehmen, um Autonomie und Freiräume für die Sinnsuche zu gewinnen. Wer sich dem verschließt, stagniert.
    Ein Fünfzigjähriger, der mit einer achtzehnjährigen Freundin zusammenlebt, mit einem Sportauto unterwegs ist und von seinem Chef für jeden kleinen Erfolg gelobt werden möchte, hat den Schritt in die Unabhängigkeit noch nicht gewagt. Eine Frau Mitte fünfzig, die Gesichtsfalten nicht verkraftet, den Modeschmuck ihrer Tochter trägt oder ihr Alter verleugnet, wird zunehmend fassadenhafter. Beide stülpen der Existenz ihre eigene Regeln über, misstrauen dem Lebensfluss und erkennen nicht, welche beglückenden Erlebnisse auf sie warten.
    Im Älterwerden, wenn allmählich der äußere Glanz abbröckelt, geht es um die Transzendenz, um das

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