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Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Titel: Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvester Walch
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Triebfedern der weiteren Entfaltung eingesetzt.
    Je sicherer, achtsamer und offener sich interaktionelle Erfahrungen gestalten, desto mehr Selbstvertrauen, Selbstsicherheit und innere Stabilität können aufgebaut werden. Das gilt nicht nur für die Kindheit, sondern auch für das ganze Leben. Wer kennt nicht den Umstand, im Kreise freundlicher Mitmenschen sich leichter zeigen und besser über seine Fähigkeiten verfügen zu können? Umgekehrt ziehe ich mich zurück, fühle mich von mir abgeschnitten oder erleide eine Selbstwertkrise, wenn andere mich abwerten oder ignorieren. In wenigen Augenblicken kann ein Hochgefühl in das Gegenteil umschlagen. Nur wenn genügend gute innere Selbst-Repräsentanzen vorhanden sind, kann man das auffangen und bewältigen. Der Mensch ist ein geschichtliches Wesen, das Selbst erfährt sich in einem kontinuierlichen Prozess, sieht sich selbst als Urheber von Handlungen, die von kognitiven Akten und emotionalen Zuständen angestoßen werden. Selbst- und Weltbilder werden weiter durch Kommunikation und gefühlte beziehungsweise gedachte Wirklichkeitsentwürfe ausgebaut, so dass sich Visionen und Utopien entwickeln können. Aus der Fähigkeit, im Geiste auf Probe zu handeln, entwickeln sich Kompetenzen, die gerade für Problemsituationen oder Krisen benötigt werden.
    Ichstrukturelle Fähigkeiten, wie die Kontrolle von Impulsen, die Regulation von Gefühlen, die differenzierte Wahrnehmung von sich selbst und anderen, das Eingehen und Lösen von Beziehungen, das Alleinseinkönnen oder die Bewältigung von Konflikten bewahren das Selbst vor Regression und Zerfall. Dadurch steigt auch die Risikobereitschaft, sich auf neue Situationen, wie Reisen in fremde Länder, sich auf veränderte Bewusstseinszustände einzulassen oder unbewusste Motive aufzudecken. Dadurch wird das Selbst weiter geformt und seine Flexibilität erhöht. Jede Veränderung ruft zunächst Spannungen hervor und labilisiert die Psyche, bevor sie von den Entwicklungsanstößen profitiert. Besonders in existenziellen Findungskrisen oder intensiven spirituellen Prozessen ist es von beträchtlichem Nutzen, diese Engpässe zuzulassen und zu durchschreiten, um Weitung zu ermöglichen. Das personale Selbst befindet sich qualitativ jetzt auf einer Ebene, die im Laufe des Lebens nur noch weiter ausgebaut und verfeinert wird.
    Das personale Selbst gibt dann dem Individuum durch seine beständigen Integrationsleistungen ein Gefühl von Ganzheit und innerer Heimat, trotz intensiver Durchgangskrisen. Die psychischen Muster, die durch genetische Konstitution, Prägung und Gewohnheit aufgebaut wurden und den Umgang mit der Umwelt regulieren, sind dementsprechend widerstandsfähig. Dies dient auch dem Überleben, weil der Mensch nicht in jeder neuen Situation andere Strategien entwerfen muss, sondern selbstverständliche Erlebnis- und Handlungsschablonen zur Verfügung hat. Man muss dann nicht befürchten, auf absolut unbekanntes Terrain zu gelangen und inneren Antrieben oder äußeren Reizen ausgeliefert zu sein.
    Dementsprechend schwer ist es auch auf der anderen Seite, pathogene Muster aufzulösen, was in psychotherapeutischen Prozessen manchmal schmerzlich zu akzeptieren ist. Was lange aufgebaut wurde, kann nicht schnell abgebaut werden. Dieses Gefüge der Beständigkeit ist jedoch nicht unwandelbar. Durch langwierige Bewusstseins- und Transformationsprozesse können auch die zeitüberdauernden Strukturen des Selbst verändert werden. Darauf baut auch die Psychotherapie, die krankheitswertige Verformungen des Selbst, die zu selbstzerstörerischen Lebensstilen führen, beheben möchte. Dann werden Lebendigkeit, Kraft und Wachstum an die Stelle existenzgefährdender Destruktivität treten. Ein gesundes Selbstgefüge ist für den spirituellen Weg unabdingbar, wie an den fatalen Folgen eines beschädigten inneren Kerns besonders offensichtlich wird.
    Beschädigungen des Selbst
    Schizophrenie
    Über krankheitswertige Fehlentwicklungen des Selbst lässt sich prägnant veranschaulichen, welche zentrale Stellung es innerhalb der Psyche einnimmt. Ganz besonders eignen sich hierfür schizophrene Erkrankungen, denen ein gänzlich desintegriertes Selbst zugrunde liegt, und frühe Beschädigungen des Selbst, wie sie in der sogenannten Borderline-Struktur zu finden sind. In der schizophrenen Erkrankung verfügt das Selbst über kein eigenständiges Zentrum mehr, die Demarkationslinien zwischen inneren Vorgängen und äußeren Geschehnissen existieren

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