Vom Ende einer Geschichte
dieser Version darzustellen, weil ich sie mir ohnehin so eingeredet hatte. Ich betrachtete meine Zeit mit Veronica als Fehlschlag – ihre Verachtung, meine Demütigung – und strich sie aus den Annalen. Ich hatte keine Briefe aufbewahrt und nur ein einziges Foto, das ich mir seit Ewigkeiten nicht mehr angeschaut hatte.
Doch nachdem wir ein, zwei Jahre verheiratet waren, als ich mehr mit mir im Reinen und unserer Beziehung völlig sicher war, erzählte ich Margaret die Wahrheit. Sie hörte zu, stellte sachdienliche Fragen, und sie verstand. Sie wollte das Foto sehen – das vom Trafalgar Square –, betrachtete es, nickte und sagte nichts dazu. Das war in Ordnung. Ich hatte kein Recht, irgendetwas zu erwarten, schon gar nicht einen Lobgesang auf meine frühere Freundin. Den ich ohnehin nicht hören wollte. Ich wollte einfach die Vergangenheit bereinigen und dass Margaret mir meine seltsame Lüge darüber verzieh. Was sie auch tat.
Mr Gunnell ist ein ruhiger, hagerer Mann, den Schweigen nicht stört. Schließlich zahlen seine Mandanten dafür genauso wie fürs Reden.
»Mister Webster.«
»Mister Gunnell.«
Und so ging das – Mister hier, Mister da – noch fünfundvierzig Minuten lang weiter, während er mir den professionellen Rat gab, für den ich ihn bezahlte. Er meinte, wenn ich zur Polizei gehen und gegen eine Frau reiferen Alters, die vor Kurzem ihre Mutter verloren habe, Anzeige wegen Diebstahls erstatten wolle, dann sei das seiner Ansicht nach töricht. Das gefiel mir. Nicht der Rat, sondern die Art, wie Mr Gunnell ihn formulierte. »Töricht«: viel besser als »nicht empfehlenswert« oder »unangemessen«. Er riet mir auch eindringlich davon ab, Mrs Marriott Dampf zu machen.
»Wollen Anwälte denn nicht, dass man ihnen Dampf macht, Mr Gunnell?«
»Sagen wir so, wenn ein Mandant Dampf macht, dann ist das etwas anderes. Doch im vorliegenden Fall zahlt die Familie Ford die Rechnung. Und Sie würden staunen, wie leicht ein Brief in einer Akte ganz nach hinten rutschen kann.«
Ich schaute mich in dem cremefarben gestrichenen Büro mit den Topfpflanzen, den Regalen voll juristischer Nachschlagwerke, dem harmlosen Druck einer englischen Landschaft und, jawohl, den Aktenschränken um. Ich schaute wieder Mr Gunnell an.
»Mit anderen Worten, sie soll mich nicht für einen alten Spinner halten.«
»Ach, das würde sie nie tun, Mr Webster. Und ›alter Spinner‹ ist nicht unbedingt ein juristischer Fachausdruck.«
»Wie würde man das sonst nennen?«
»Wir könnten uns auf ›schikanös‹ einigen. Das ist sicher stark genug.«
»Gut. Und noch etwas. Wie lange dauert es, bis ein Nachlass abgewickelt ist?«
»Wenn es keine größeren Komplikationen gibt … achtzehn Monate, zwei Jahre.«
Zwei Jahre! So lange würde ich nicht auf das Tagebuch warten.
»Nun ja, die wesentlichen Punkte werden mit Vorrang erledigt, aber es gibt immer etwas, was die Sache ins Stocken bringt. Verlorene Aktienzertifikate. Abgleich der Beträge mit dem Finanzamt. Und manchmal werden Briefe verlegt.«
»Oder rutschen ganz hinten in die Akte.«
»Auch das, Mr Webster.«
»Haben Sie sonst noch einen Rat für mich?«
»Ich wäre vorsichtig mit dem Wort ›Diebstahl‹. Es könnte unnötig polarisierend wirken.«
»Aber hat sie nicht genau das getan? Helfen Sie mir mit der juristischen Bezeichnung dafür, wenn etwas klar auf der Hand liegt.«
»Res ipsa loquitur?«
»Genau.«
Mr Gunnell schwieg kurz. »Nun ja, Strafrechtliches kommt mir nicht oft auf den Tisch, aber das wesentliche Merkmal für den Tatbestand des Diebstahls ist, wenn ich mich recht erinnere, dass dem Eigentümer des gestohlenen Gegenstands dieser ›mit Absicht und auf Dauer entzogen‹ wird. Haben Sie Einblick in Miss Fords Absichten oder ihr weitergehendes Sinnen und Trachten?«
Ich musste lachen. Einblick in Veronicas Sinnen und Trachten war vor vierzig Jahren eins meiner Probleme gewesen. Darum lachte ich wahrscheinlich auf die falsche Art; und Mr Gunnell bleibt so leicht nichts verborgen.
»Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, Mr Webster, aber gab es in der Vergangenheit möglicherweise etwas zwischen Ihnen und Miss Ford, was relevant werden könnte, falls es am Ende zu einem zivilrechtlichen oder gar strafrechtlichen Verfahren käme?«
Etwas zwischen mir und Miss Ford? Plötzlich stand mir ein ganz bestimmtes Bild vor Augen, während mein Blick auf den Rückseiten von – wie ich annahm – Familienfotos ruhte.
»Sie haben mir sehr geholfen,
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