Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
zu lernen – dass ich mit meiner Mutter nach Tennessee gezogen sei und Julia in einer Kirche kennengelernt hätte –, aber ich wollte sie nur anwenden, wenn es unbedingt sein musste, weil ich das Gefühl hatte, dass Houston es merken würde. Zum Glück bedrängte er mich nicht weiter, woher ich kam.
»Julia hält jedenfalls ziemlich viel von dir. Sie hat gesagt, du suchst Arbeit.«
»Genau.«
»Eine bestimmte Arbeit?«
»Eigentlich nicht. Halt das, wofür Sie mich brauchen können.«
»Also, ich weiß ja nicht, ob sie es erwähnt hat, aber am dringendsten brauchen wir momentan jemanden für den Swimmingpool. Hast du denn Erfahrung mit so etwas?«
»Nur im Groben eigentlich. Aber ich möchte wirklich gern dazulernen.«
»Ich spreche von der üblichen Instandhaltung und Reinigung. Außerdem wärst du für den Whirlpool und den Geräteschuppen zuständig, dazu noch für die Poolwäsche. Bei dem Job müsstest du auch hinter den Gästen sauber machen. Immer noch interessiert?«
»Unbedingt. Ja.«
»Also, warum auch immer, aber mit dem Poolpersonal hatten wir immer gewisse Schwierigkeiten. Frag mich nicht, warum das so war, aber anscheinend zieht dieser Job die schlimmsten Leute an. Unsoziale und Störer. Wir hatten einige schlimme Pool-Leute. Wenn du also nichts dagegen hast, würde ich dir gern ein paar Fragen stellen, nur, um dich ein wenig kennenzulernen. Ich kann nicht genug betonen, dass keine dieser Fragen die eine richtige Antwort hat, du kannst also ganz entspannt sein und die Wahrheit sagen.«
»Okay.«
Houston zog einen Schreibblock aus der Schublade unterm Tisch. »Was ist deine größte Schwäche?«
Ich konnte es nicht fassen, dass er mit so einer schwierigen Frage anfing. Sie gehörte jedenfalls nicht zu denen, die Julia und ich geübt hatten, und außerdem ließ ich mich nicht gern verhören, weshalb ich bereits ziemlich schlimm auf Tilt kam. Aber gerade als ich das ganze Bewerbungsgespräch schon sausen lassen wollte, kam plötzlich eine Antwort aus mir raus.
»Ich bin fast die meiste Zeit ziemlich verwirrt«, sagte ich.
Houston grinste und machte sich eine kurze Notiz auf seinem Block. »Das ist gut, Joe. Sind wir das nicht alle?« Ich war überrascht, wie sehr ihm meine Antwort offenbar gefiel – ich fand, sie klang ziemlich schrecklich, als ich sie sagte.
»Bist du pünktlich?«
»Ja.«
»Trinkst du?«
»Nein.«
»Drogen?«
»Was?«
»Bist du loyal?«
»Ja.«
»Und welche Ambitionen hast du?«
»Ambitionen?«
»Was sind deine Pläne über diesen Job hinaus?«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«
Wieder hatte ich das Gefühl, das Falsche gesagt zu haben, Houston aber schien diese Antwort noch mehr als meine erste zu gefallen. Er war in gewisser Hinsicht das Gegenteil von Marcus.
»Du hast keine Pläne? Du hast nicht vor, dir etwas Besseres zu suchen?«
»Nein.«
»Irgendwelche Interessen im Hinblick aufs College?«
»Noch nicht.«
»Wie alt bist du?«
»Achtzehn.«
»Dafür muss man sich nicht schämen. Ich war mit fünfzehn ein prima Poolwart, auch wenn ich es selbst sage. Unser Vater sorgte dafür, dass wir jeden Job im Hotel lernten. Hast du die Highschool abgeschlossen?«
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Julia mir gesagt hatte, ich solle an der Stelle lügen, aber irgendwo in mir drin hatte ich beschlossen, Houston einfach die Wahrheit zu sagen, weil er gar nicht so reagierte, wie ich es mir vorgestellt hatte.
»Noch nicht ganz«, sagte ich.
»Bildung ist dir gar nicht wichtig?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Du glaubst, du könntest damit glücklich sein, dein ganzes Leben lang Pool-Wart zu sein?«
»Ich wüsste nicht, warum nicht.«
Jetzt strahlte Houston mich an. Er sah aus, als würde er sich bestens amüsieren. »Bis jetzt, Joe, bist du wahrscheinlich der beste Pool-Wart-Kandidat, mit dem ich je gesprochen habe«, sagte er freudig. »Wird auch Zeit, dass mal jemand Respekt vor diesem Job hat. Unser letzter Wart hielt sich für zu gut für die Stelle. Er konnte die Würde darin nicht sehen. Aber wenn man mal genauer hinsieht, ist das der einzige Job im Hotel, der von einer einzigen Person, ganz allein, ausgeübt wird. Der Pool-Wart lässt sich von niemandem etwas sagen, keiner hilft ihm, und jeder nimmt seine Arbeit erst dann zur Kenntnis, wenn der Pool nicht perfekt ist. Verstehst du, was ich sagen will?«
»Selbstverständlich.«
»Ich suche jemanden, der diesen Job annimmt und seine Lebensaufgabe daraus macht. Und wenn du stirbst, begraben
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