Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
Ich wusste ja, dass sie mich nicht hören konnte, aber das war mir egal. »Das weißt du doch gar nicht«, sagte ich. »Ich könnte mich ändern.«
»Für Alvin hat es so böse geendet.«
»Vielleicht bin ich ja anders.«
»Ich muss zurück in mein wirkliches Leben, und da kann ich dich nicht mitnehmen.«
»Was soll ich sagen? Du hörst mich ja eh nicht.«
Sie regte sich nicht mehr, saß einfach da, an die Wand gelehnt, und starrte ins Leere.
»Alvin kommt nie mehr zurück«, sagte sie.
»Doch, bestimmt.«
»Morgen, wenn ich wach bin, werde ich es nicht sagen können. Aber ich weiß, er ist nicht segeln gefahren. Und ich weiß, er kommt nie mehr wieder.«
»Wo soll er denn hingefahren sein, wenn nicht segeln?«
»Das musst du doch auch spüren. Du willst es nur noch nicht zugeben.« Nun bewegten sich Julias Arme, dann ihre Beine. Sie stieg ihre Leiter hinauf. »Wir können nicht jeden Tag immer nur Toast essen«, sagte sie. »Wir müssen mal richtig frühstücken.«
Ich wusste, dass es sinnlos war, ihr noch weitere Fragen zu stellen. Ich konnte nur noch extrem besänftigend auf sie einreden, bis sie ruhiger wurde. »Mach dir keine Sorgen«, sagte ich. »Ich mache es jetzt richtig. Wir haben alles, was wir brauchen.«
Endlich schloss Julia die Augen, und bald darauf schlief sie wieder normal. Ich legte mich zurück auf mein Schlafsofa und horchte auf ihre Atmung, wobei ich mich noch einmal an den ganzen Tag erinnerte: wie ich Marcus im Basketball schlug, Alvin mit seiner Segelmütze, wie mir mit Julia das Benzin ausging und dann dieses Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen, als ich von Los Angeles wegfuhr. Mir fiel ein, dass ich vergessen hatte, Francisco zu sagen, dass ich nach Tennessee zog, und Marcus, dass Alvin jetzt um die Welt segelte. Kurz bevor ich einschlief, fiel mir noch auf, dass ich die Wohnung dort für immer verlassen hatte, und es überraschte mich ein bisschen, wie traurig mich das machte, wo ich doch nicht sehr lange darin gewohnt hatte.
4. Kapitel
Am nächsten Morgen wachten wir früh auf, und ich fuhr den halben Tag. Wir hielten nur einmal mittags, um was zu essen, dann übernahm Julia, und ich schlief ein bisschen, und als ich aufwachte, waren wir in Tennessee. Ich weiß noch, dass es eine ziemlich saubere Stadt war, aber nicht viel anders als das, was ich gewöhnt war, bloß, dass mehr Leute arbeiteten, aßen und mit dem Handy telefonierten. Die Luft in den Straßen roch ein bisschen mehr nach Rauch, als ich es gewöhnt war, auch sah ich einige Cowboyhüte und -stiefel, aber nicht so viele, wie ich erwartet hatte, und überall lief Country-Musik.
»Wach auf, Joe. Wir sind in Nashville.«
Wir überquerten einen Fluss auf einer riesigen Zugbrücke und kamen an einem, ich glaube, Football-Stadion vorbei, und dann fuhr Julia in die Tiefgarage eines riesigen Kaufhauses.
»Wohin gehen wir?«
»Hast du dich schon mal um eine Stelle beworben?«
»In letzter Zeit nicht.«
»Ich hatte letztes Jahr ungefähr tausend Vorstellungsgespräche am College. Mein Dad sagt, die Kleidung ist die halbe Miete. Egal, für welchen Job, sagt er, das Geheimnis eines Bewerbungsgesprächs ist, dass man immer einen Anzug trägt.«
»Ich glaube, ich habe noch nie einen Anzug getragen.«
»Houston wird das Gespräch mit dir führen, und der sieht das eindeutig genauso. Er mag gute Manieren. Er kommt sich gern wie ein Gentleman aus dem Süden vor. Respekt ist für ihn ganz wichtig.«
»Ist er dein Chef?«
»Houston ist mein Bruder. Und wohl auch mein Chef. Der eigentliche Chef ist mein Vater, aber der hat gerade ein paar juristische Probleme, also ist Houston für beide Hotels zuständig. Er ist die meiste Zeit in der Stadt, deshalb mache ich den Empfang im Oakwood, und im Herbst gehe ich dann ins Vanderbilt.«
»Was soll ich zu ihm sagen?«
»Also, erst mal würde ich Alvin nicht erwähnen. Houston war nicht der allergrößte Fan von ihm.«
»Was noch?«
»Das wird kinderleicht. Er wird sehen, dass du einen Anzug trägst und auch ein gutes Gesicht hast, und wenn er dann eine Stelle frei hat, gibt er sie dir. Da bin ich mir ziemlich sicher. Seit wann wirst du denn nervös?«
Ich war ja nicht so besonders scharf auf einen Job, aber offenbar war es für Julia wichtig. Und wenn ich keinen kriege, muss ich eventuell wieder zurück nach Los Angeles, dachte ich, und ich wusste nicht, wann ich Julia dann wiedersehen würde.
»Das mache ich ja nicht mit Absicht.«
»Es gibt keinen Grund zur Sorge, Joe.
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