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Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)

Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)

Titel: Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lampson
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dich nur als Alvins Bruder sieht. Willst du nicht, dass die Leute dich als du selbst sehen?«
    Es war nicht besonders schwierig, mich zu überzeugen. Ein Argument reicht bei mir meistens, egal, worum es geht. Julia hatte eine Menge guter Gründe, und der einzige, den ich hatte, war der, dass ich meine Haare mochte, wie sie waren. Aber ich musste sie ja auch nicht ansehen.
    Es wurde dann die kürzeste Frisur, die ich je gehabt hatte, so kurz, dass ich nicht mal einen Scheitel ziehen konnte, aber ich musste zugeben, es gefiel mir, wie sie sich anfühlten. Es machte meinen Kopf kühler, und ich fühlte mich leichter und schneller. Und außerdem sagte Julia, es gefalle ihr. Während man mir die Haare wusch und schnitt, beschloss sie, sich die Haare ganz hellblond färben zu lassen, sodass ich, als ich fertig war, noch eine Weile auf sie warten musste. Ich vermisste ihre alten Haare und sagte es ihr auch, aber sie erklärte, dieses Blond sei ihre ursprüngliche Haarfarbe und dass das Feuerrot, das mir so sehr gefallen hatte, gefärbt gewesen sei. Die Vorstellung, dass man sich die Haare zur ursprünglichen Farbe zurückfärben ließ, fand ich ziemlich merkwürdig. Sie sagte, sie hätten ihre natürliche Farbe ziemlich gut hingekriegt, aber nicht perfekt, daher nehme ich an, dass ich Julias wirkliche Haarfarbe nie zu Gesicht bekommen habe.
    Ich musste mich immerzu am Kopf kratzen, als wir meinen Anzug abholten, dann zum Wagen gingen und die Stadt hinter uns ließen. Bald fuhren wir auf einer einspurigen Straße mit einem schönen Wald auf beiden Seiten. Wir mussten noch den Wagen loswerden, weil er meine letzte Verbindung zwischen mir und Alvin darstellte, also versteckten wir ihn im Wald unter einer Plane und gingen den Rest des Weges auf einem schmalen Feldweg durch die Bäume, um einen kleinen Teich herum und dann, glaube ich, auf einer alten, verlassenen Holzfällerstraße, bis wir schließlich das Oakwood Hotel erreichten. Es war ein großes, braunes Holzgebäude mit einem spitzen Dach, drei Stockwerke hoch, mit vielleicht zwanzig Zimmern pro Stock. Man sah, dass die Hälfte des Gebäudes vor langer Zeit einmal eine Scheune gewesen war, weil das Holz so alt war, aber das Übrige sah so neu aus wie die Gebäude in Los Angeles. Neben dem Kiesparkplatz war ein großer Rasen und so ein winziges Restaurant, wo anscheinend nie jemand aß, und ein Swimmingpool ungefähr von der Größe von Marcus’ Wohnung. Das Hotel war an allen Seiten von Wald umgeben, und es roch die ganze Zeit nach Baumharz.
    Houston war wohl noch nicht da, also ging Julia nach oben auf ihr Zimmer und ließ mich in der Lobby zurück, wo ich meine neue Frisur rieb, bis er auftauchte. Ich hatte erwartet, dass er wie Julia aussah, aber seine Haut war viel dunkler. Er hatte nicht die kleinen Sommersprossen wie sie, und seine Haare waren total schwarz und glatt wie bei einem Pferd. Er trug keinen Anzug – bloß Jeans und ein kurzärmeliges Hemd –, aber ich hatte trotzdem eindeutig das Gefühl, dass er hier total das Sagen hatte. Bei Houston hatte man das Gefühl, dass er der Einzige war, der genau wusste, wie alles lief und wie man es wieder hinkriegte, wenn etwas kaputtging. Er war es gewöhnt, dass alle machten, was er sagte. Später erfuhr ich, dass er erst ein Jahr vom College weg war, aber er wirkte erwachsener als Marcus, weil Houston immer wie einer redete und handelte, der zwanzig Jahre älter war. Wie Julia hatte er sein ganzes Leben in Hotels gearbeitet.
    Ich achtete darauf, dass ich ihm beim ersten Mal extrem fest die Hand gab und ihm dabei genau in die Augen schaute, wie ich es mit Julia im Wagen geübt hatte. Dann ging er mit mir in ein winziges Büro hinterm Empfang, wo wir uns an einen kleinen Holztisch mit drei Telefonen darauf einander gegenübersetzten. Bevor wir redeten, saß Houston eine Minute lang einfach nur da und sah mich an. Da schwitzte ich schon durch meinen Anzug, weil ich wusste, dass er mein Gesicht musterte und dass meine Chancen, den Job zu kriegen, wahrscheinlich davon abhingen, was er dort sah.
    »Kaffee?«
    »Den trinke ich eigentlich nicht.«
    »Das ist gut. Du Glückspilz. Aber ich trinke eine Tasse.«
    Während er Kaffee machte, merkte ich, dass mir die Hände zitterten. Houston setzte sich mit seinem Kaffee wieder hin.
    »Wo bist du aufgewachsen, Joe?«
    »Ich bin ziemlich viel umgezogen.« Das stimmte auch, allerdings waren wir nur innerhalb von Los Angeles viel umgezogen. Julia hatte mir geholfen, ein paar Lügen

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