Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
Er meinte das Schild, das beim Whirlpool hing, und ich nickte, als hätte ich bloß vergessen, es zu lesen. »Warum? Hat es dir niemand beigebracht?«
»Ich hab’s einfach nie gelernt.«
»Du überraschst mich wirklich jeden Tag aufs Neue, Joe. Es ist so erfrischend, einem Jungen in deinem Alter zu begegnen, der nicht schwimmen kann.«
»Ist es denn schwer zu lernen?«
»Mir ist noch keiner untergekommen, der es nicht geschafft hat.«
»Wie lange würde es dauern?«
»Hängt ganz davon ab, wie oft du übst.«
»Und wenn ich nun jeden Tag übe?«
»Das weiß ich nicht. Vielleicht eine Woche oder zwei?« Er streifte die Schuhe ab. »Sollen wir’s rausfinden?«
»Ehrlich? Du würdest es mir beibringen?«
»Das kann dir den Pool nur noch näherbringen. Ich würde es als eine Investition in deine Ausbildung sehen. Wir wär’s jetzt gleich mit einer Stunde?«
»Jetzt gleich?«
»Warum nicht? Bis zum Abendessen mit unserem Dad ist es noch eine Stunde.«
Das ging alles so viel schneller, als ich mir erträumt hätte. Houston lief zu seinem Wagen, die Badehose holen, während ich mich im Poolschuppen umzog. Wir begannen die Stunde gerade, als die Sonne unterging und ein warmer Wind wehte, und ich erinnere mich noch, dass der Mond fast voll war. Er zeigte mir an dem Abend ein paar verschiedene Stile im Flachen, aber da es meine erste Stunde war, konzentrierten wir uns vor allem auf einfaches Wassertreten, nur damit ich später nicht untergehen würde, wenn ich die anderen Stile übte.
Als Houston dann zum Essen musste, hatte ich schon ein bisschen den Dreh raus. Er sagte, wenn ich wolle, könne ich am nächsten Tag wieder eine Stunde haben.
»Und es macht dir wirklich nichts aus, es mir beizubringen?«
»Warum sollte es?«
»Weiß auch nicht. Du hast zu tun. Und ich bezahle dich ja auch nicht.«
Houston fand das urkomisch. »Du bist der Größte, Joe. Ich bringe dir alles bei, was du willst.«
»Echt?«
»Was möchtest du denn lernen?«
»Kann ich’s mir noch überlegen?«
»Klar. Sag einfach Bescheid. Und gute Arbeit heute.«
Ich blieb im Flachen und trat Wasser, Houston ging durch das Tor zum Parkplatz und fuhr weg. Zwei Stunden später übte ich noch immer allein, als ich Alvin auf dem Sprungbrett sitzen sah. Er schaute mich an. Ich war so total aufs Schwimmen konzentriert, dass ich keine Ahnung hatte, wie lange er mich schon beobachtet hatte. Seine Kapitänsmütze und die Sonnenbrille waren nirgends zu sehen, und er sah jetzt so viel jünger aus, dass ich ihn fast nicht erkannt hätte. Seine Arme waren ein bisschen zu lang, und seine Haare standen in alle Richtungen ab. Er sah ungefähr wie vierzehn aus, sogar sein goldenes Kapuzenshirt von damals hatte er an. Es war ihm viel zu groß, weil es eigentlich meins war. Er hatte die Schuhe ausgezogen, und seine nackten Füße hingen ins Wasser.
»Hi, Alvin.«
»Anscheinend bist du überrascht, mich zu sehen«, sagte er. »Hast du mich denn schon vergessen, Joe?«
»Natürlich nicht.«
Wobei das nicht ganz stimmte. Das Leben im Hotel war so aufregend, dass ich schon eine Weile nicht mehr an Alvin gedacht hatte. Aber jetzt erinnerte ich mich an alles, was Julia gesagt hatte: dass er gar nicht weggefahren sei und dass er nie mehr wiederkomme.
»Kann ich dich was fragen, Alvin?«
»Schieß los. Ich halte dich nicht auf.«
»Segelst du wirklich um die Welt?«
Er schlenkerte mit den Beinen, spritzte mit den Füßen Wasser und wippte ein bisschen mit dem Sprungbrett auf und ab. »Warum fragst du mich das denn?«
»Weil ich es nicht glaube.«
»Aber es sieht dir gar nicht ähnlich, daraus einen Schluss zu ziehen. Was ist denn heute in dich gefahren?«
»Warum bist du jedes Mal, wenn ich dich sehe, ein bisschen jünger?«
»So viele Fragen, Joe. Seit wann überlegst du dir überhaupt Sachen?«
»Wie viel jünger wirst du denn noch?«
»Wie weit reicht deine Erinnerung an mich zurück?«
»Alvin«, sagte ich. »Bist du tot?«
»Ach komm, Joe. Es ist so ein schöner Abend. Warum jetzt darüber reden?«
»Du kannst es mir ruhig sagen. Ich werde nicht sauer.«
»Was ändert das schon, ob ich tot bin oder um die Welt segle? Haben wir denn nicht Wichtigeres zu bereden?«
»Ich möcht’s halt wissen.«
»Na toll«, sagte er. »Ich bin hergekommen, um mich zu entspannen, nicht, um verhört zu werden. Aber ich gestehe es, wenn das Generve dann aufhört. Können wir das Thema jetzt lassen?«
»Dann sehe ich dich also nie mehr wieder real?«
»So
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