Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
Webstuhl, wo sie auf die Pedale trat. Sie lächelte mir so zu, als wäre sie stolz darauf, mich so verwirrt zu haben, dass ich nichts sagen konnte.
»Es war immer interessant zu sehen, wie er auf Julias Freunde reagierte. Fühlte er sich bedroht, intrigierte er gegen sie, suchte nach Wegen, Julias Interesse zu vergiften. Das war nie sehr schwierig, da Julia immer zu Houston aufschaute. Sah er aber, dass ihr neuer Freund nur eine dumme Liebelei war und es nicht halten würde, schürte er das Feuer noch, sagte Julia, er finde es gut, und versuchte, es so lange wie möglich dauern zu lassen. Besonders gern hatte er dabei einen schwedischen Austauschschüler, mit dem sie ging. Houston fuhr sie ins Kino und ging mit ihnen aus, weil jeder wusste, dass es nicht halten würde. Bei Alvin aber war die Sache anders. Alvin machte ihm Angst.«
Ich wusste ja, dass ich ihr nicht zuhören sollte. Julia hatte mir schon gesagt, ihre Mutter werde mir eine Menge seltsamer und schlimmer Ideen in den Kopf setzen, und mir war klar, dass genau das gerade passierte. Aber es war mir unmöglich, ihre Stimme nicht zu hören.
»Alvin dagegen drohte richtiggehend, ihm Julia wegzunehmen. Er schaffte es, dass Julia ihren eigenen Vater infrage stellte. Sie redete schon davon, Tennessee zu verlassen.«
»Julia hat gesagt, ich soll nicht auf Sie hören.«
»Du brauchst mir ja nicht zu glauben.«
»Wollen Sie sagen, dass er sie heiraten will?«
»Nein, noch nicht. So weit wird er wohl nicht gehen, solange Bill noch da ist, aber ich weiß nicht, wie lange er es sich noch leisten kann zu warten. Er riskiert eine Menge, selbst indem er sie ans College gehen lässt. Noch immer finden viele Mädchen ihren Mann am College.«
»Ich glaube Ihnen nicht.«
»Musst du auch nicht«, sagte sie. »Überleg aber nur mal, warum Houston so nett zu dir ist. Ich persönlich habe ihm nie getraut. Wenn ein Junge sein ganzes Leben lang ein Geheimnis wahrt, überdeckt ihn das Geheimnis irgendwann vollständig, bis nichts an dem Jungen mehr echt ist. Fragst du dich nicht manchmal, warum er sich ständig so förmlich gibt? Warum er wie ein Mann mittleren Alters redet? Er hat einen Weg gefunden, mit Julia Umgang zu haben, ohne zu explodieren. Den echten Houston haben wir noch nie zu Gesicht bekommen.«
Manchmal ist alles so kompliziert, dass man sich am liebsten die Augen zuhalten möchte und so tun, als wäre das alles nicht da. Ich war so erschöpft und durcheinander, als versuchte ich, eines von Alvins verdammten Rätseln zu lösen. Julias Mutter hatte mich auf diesen schlimmen, aufgewühlten Tilt gebracht, und auf einmal musste ich ganz dringend raus.
»Danke, dass Sie mir das Haus gezeigt haben«, sagte ich.
Sie nickte und stand von dem Webstuhl auf. Dann kam sie zum Sofa, beugte sich zu mir rüber und küsste mich auf die Stirn.
»Du willst nicht hören. Das ist schon in Ordnung. Es ist besser für dich. Wahrscheinlich würde ich es dir gar nicht erzählen, wenn ich dächte, dass du es verstehst. Aber jetzt, wo die Führung zu Ende ist, muss ich dich doch unbedingt noch etwas fragen. Ist dir schon aufgefallen, dass dieses ganze Haus vollkommen ausgebrannt ist?«
»Natürlich.«
»Natürlich ist es dir aufgefallen.« Sie zwinkerte, als wüsste sie, dass ich log. »Aus irgendeinem Grund hätte ich das nicht gedacht.«
Ich weiß nicht, warum es mir nicht aufgefallen war, denn als ich mich nun umsah, war es völlig offensichtlich. Einige der Wände waren im Grunde nichts als große Brocken Holzkohle, und in allen Ecken lagen kleine, schwarze Rußhäufchen. Der Webstuhl war völlig verkohlt, und mir fielen unsere Fußabdrücke in dem schwarzen Staub auf dem Fußboden auf. Da begriff ich auch, warum ich solche Atemschwierigkeiten gehabt hatte. Mir wurde klar, dass die Wolke, die vom Sofa aufstieg, Ruß gewesen war. Ms Delancey griente irgendwie darüber, wie mir all das dämmerte. »Irgendwas mit den Stromkabeln. Doch davon verstehe ich ja nichts. Aber niemand war da, und die Feuerwehren kamen erst Stunden später, und da war schon alles den Flammen zum Opfer gefallen. Hat Julia dir wirklich nichts davon erzählt?«
»Doch, natürlich.«
»Du schwindelst. Und das ist auch in Ordnung. Aber fragst du dich denn nicht manchmal, warum sie dir nichts erzählt?«
Auf dem Weg aus dem Zimmer blieb sie in der Tür stehen und drückte einen Schalter an der Wand, aber nichts passierte, weil an der Decke ja keine Birne war und alle Kabel im Haus geschmolzen waren. »Ach,
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