Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
Joe, das ist mein Ankleidezimmer«, sagte sie. »Hier habe ich mich immer angezogen.«
Auf der Rückfahrt vom Golden Oaks fuhr Ms Delancey doppelt so schnell, schlängelte sich durch den Verkehr, sang zu ihrer CD – und hatte offenbar weitgehend vergessen, dass ich da war, weil sie erst wieder was zu mir sagte, als sie mich am Hotel absetzte.
»Wenn ich du wäre, würde ich das alles für mich behalten«, sagte sie, als ich ausstieg. »Du wirst versucht sein, darüber zu sprechen, aber das wäre nicht gut für dich.«
»Okay, versprochen.« Da wusste ich schon, dass ich das Versprechen nicht halten würde. Ich würde Julia suchen, sobald ihre Mutter weggefahren wäre, auf der Stelle, und würde ihr alles erzählen. »Danke für das Mittagessen, und bis demnächst mal.«
»Wahrscheinlich schon recht bald. Aber jetzt Wiedersehen. Und viel Glück.«
Julia war nicht da. Ich erfuhr, dass das Mittagessen mit ihrem Opa schon vorbei war und sie jetzt bei einer Fortbildung in der Stadt war, wo sie womöglich bis zum Abendessen blieb. Am Pool sah ich dann Cecily, sie lag auf dem Rücken am Wasser.
»Cecily«, sagte ich. »Kann ich dich ein paar Sachen fragen?«
»Moment.«
Sie richtete sich immer wieder rasch auf und ächzte dabei. Ich erkannte, dass sie Sit-ups machte, und versuchte, mich ruhig zu verhalten, bis sie damit fertig war. Dann rollte sie sich langsam über den Beckenrand und platschte ins Wasser. Sie blieb lange unten, und als sie schließlich wieder auftauchte, schüttelte sie die Haare wie ein Sprinkler.
»Okay, jetzt kannst du reden.«
»Ich habe mit deiner Mutter gesprochen.«
»Moment, ich glaube, ich habe mein Haarband verloren.« Sie verschwand für eine weitere Minute im Wasser. »Vielleicht hatte ich es auch gar nicht um. Was hast du gesagt?«
»Deine Mama ist mit mir zum Mittagessen gefahren. Danach hat sie mir euer altes Haus gezeigt. Und danach von Houston angefangen.«
»Moment, sie hat dich zum Mittagessen eingeladen?«
»Nur wir beide.«
»Hat sie bezahlt?«
»Ja.«
Cecily kletterte nun aufgeregt aus dem Becken. »Das bedeutet, dass sie gute Laune hat. Wenn ich jetzt gleich zu ihr gehe, bezahlt sie mir vielleicht meine Fahrt nach Montreal.«
Plötzlich hatte sie es ganz eilig, zog ihre Schuhe an und wickelte sich in ein Badetuch. Als sie zum Tor hinausrannte, schrie sie mir noch über die Schulter zu: »Keine Sorge, Joe! Egal, was das Problem ist, du kannst bestimmt nichts daran ändern!«
Als Cecily weg war, steckte ich ihr Badetuch in den Wäschekorb und stellte die Sachen im Geräteschuppen ungefähr fünfzehnmal um. Dann sah ich in Julias Zimmer fern und wartete, dass sie nach Hause kam. Als sie dann endlich reinkam, war es ziemlich spät, und ich hatte die Hälfte der Sachen, die ich sie fragen wollte, schon vergessen – und auch, wie ich vorgehabt hatte, sie zur Sprache zu bringen. Sie ging direkt ins Bad und duschte unglaublich lange. Danach war sie zu müde, um Poker zu spielen oder mich zu fragen, wie mein Tag gewesen war. Wir lagen da und sahen uns einen Bankräuberfilm an, als ich schließlich erwähnte, ich hätte das Haus gesehen, in dem sie aufgewachsen war.
»Meine Mama hat dir Golden Oaks gezeigt?«
»Sie hat mich überall rumgeführt.«
»Warum das denn?«
»Sie dachte, ich wollte es vielleicht sehen.«
»Und? Wie findest du es?«
»Ich hab gar nicht gewusst, dass es niedergebrannt ist.«
»Das ist halt nicht gerade mein Lieblingsthema. Sind dir ihre ganzen Schönheits- OP s aufgefallen?«
»Nein.«
»Schau das nächste Mal genauer hin, dann siehst du sie.«
»Wir haben auch über deine Familie gesprochen.«
»Na, egal, was sie gesagt hat, es stimmt nicht.«
»Sie hat mir von Houston erzählt.«
»Was denn so?«
»Sie hat gesagt, er ist in dich verliebt.«
»Nein. Sag das nicht.«
»Aber sie hat es gesagt.«
Julia sprang auf und knipste das Licht an. Es war so hell, dass ich die Augen nicht ganz aufmachen konnte. »Ich habe dir gesagt, du sollst nicht auf sie hören«, sagte sie. »Sie ist einfach grässlich. Sie will immer nur Ärger machen.«
»Stimmt es?«
»Es ist total lächerlich.«
»Das habe ich auch gesagt.«
»Und warum regst du dich dann so auf? Was soll das? Warum konfrontierst du mich damit?«
»Ich sag dir bloß, was sie gesagt hat.«
»So kommt’s bei mir aber nicht an.«
»Und sie hat mir noch mehr gesagt.«
»Ist mir egal, was sie noch gesagt hat. Ich habe dafür jetzt keine Energie. Wenn sie dich aufregt, dann ist es
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