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Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)

Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)

Titel: Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lampson
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wir schließlich von der Straße abbogen, hatten wir uns Ms Delanceys ganze Doppel- CD angehört. Wir fuhren über eine Holzbrücke, die über einen kleinen Bach ging, dann sagte sie, ich solle die Kette von dem großen, rostigen Tor wegmachen. Das Haus stand auf einem Hügel, also mussten wir einen langen, schmalen Feldweg hochfahren, der gleich wieder in einen Wald bog. Danach kamen wir um eine Kurve und klatschten gegen Zweige, die über die Straße wuchsen, und sogleich erkannte ich das riesige hölzerne Herrenhaus von den vielen Bildern, die ich in Julias Zimmer gesehen hatte. Es zeigte sich, dass es noch größer war, als ich gedacht hatte, und auch viel älter. Seit einiger Zeit war nichts mehr gestrichen worden, und an manchen Stellen moderte das Holz, und die Rasenflächen waren allesamt zerwühlt und kaputt. Niemand kümmerte sich um etwas.
    Ms Delancey stellte den Motor ab und sagte: »Ich habe vom Fahren einen Krampf in der Wade. Kannst du es da ein bisschen massieren, Joe?« Sie rollte die Strumpfhose runter und hob das Bein auf meinen Schoß. Ich massierte den Krampf weg, so gut ich konnte, worauf sie lachte. Dann stiegen wir aus und gingen in das Golden Oaks.
    Es war das größte Haus, in dem ich selbst je gewesen war. Einen Augenblick lang – als wir eintraten – hatte ich das Gefühl, da drinnen unmöglich atmen zu können. Dann zeigte sich aber, dass ich ganz gut atmen konnte, trotzdem roch etwas komisch, und später kam ich auch darauf, was es war.
    »Das Haus war wirklich viel zu groß für uns«, sagte Ms Delancey. »Jedenfalls schien es uns so, bis Houston aufkreuzte. Von da an schien es zu klein.«
    Die Decken waren unglaublich hoch. Es gab weder Teppiche, Kleider, Telefone noch andere Anzeichen dafür, dass es bewohnt war. Ms Delancey zeigte mir die Zimmer, in denen Julia, Cecily und Houston aufgewachsen waren, aber bis auf ein paar alte, kaputte Möbel waren die jetzt alle leer. Es gab mindestens zwei mächtige geschwungene Treppen, und ich sah das riesige Elternschlafzimmer und den Salon, die Küche, das Wohnzimmer, das Arbeitszimmer, das Spielzimmer, die Speisekammern, die Spülküchen und die Zimmer, in denen hundert Jahre zuvor die Bediensteten geschlafen hatten. Ich sah, wo Julia ausgerutscht war und sich das Bein gebrochen hatte, das Zimmer, in dem die Hündin ihre Jungen gekriegt, die Nische, wo der Computer gestanden hatte, und Zimmer mit Namen, die ich noch nie gehört hatte.
    Wir gingen in das Zimmer, in dem Mr Mannings Großmutter ihre eigenen Kleider genäht hatte. Ms Delancey setzte sich an den großen, hölzernen Webstuhl und zeigte mir, wie man damit umging, indem sie einen unsichtbaren Stoff wob. Dann fragte sie mich: »Was glaubst du, wie alt bin ich, Joe?«
    Ich wusste, dass ich nicht zu hoch schätzen durfte, aber dann war es auch egal, denn sie wartete meine Antwort gar nicht ab. »Ich bin fünfundvierzig Jahre alt. Aber man hält mich oft für fünfunddreißig. Wolltest du mich auch auf fünfunddreißig schätzen?«
    »Ich glaube schon.«
    »Weißt du, was ich den ganzen Tag lang mache?«
    »Nein.«
    »Ich verklage meinen Exmann. Ich verklage ihn nun schon seit einem Jahr. Das ist die bei Weitem leichteste Arbeit, die ich je gemacht habe.« Sie kicherte und brach dann ab. »Willst du mich denn nicht fragen, warum wir uns scheiden lassen?«
    »Wenn Sie möchten.«
    »Manchmal frage ich mich: Wenn Bill und ich uns morgen zum ersten Mal wiedersehen würden – würden wir uns wieder verlieben?« Sie sprang von dem Webstuhl auf und setzte sich auf ein schwarzes Sofa in der Ecke. Dabei stieg, das weiß ich noch, ein kleines Rauchwölkchen in die Luft. »Als ich ihn das erste Mal sah, verliebte ich mich sofort in ihn. Bei unserem allerersten Date rettete er einem Mann das Leben. Ein italienischer Tourist wäre fast an einem Steakknochen erstickt, und Bill rannte hin und drückte ihn fest von hinten, wodurch der Knochen sich löste. So etwas hatte ich noch nie gesehen – aber es war nicht das erste oder zweite oder gar das dritte Mal, dass er jemandem so das Leben gerettet hatte. Bevor ich Bill kennenlernte, glaubte ich, man könne es sich aussuchen, ein interessantes Leben zu führen, aber jetzt denke ich, dass manche einfach fürs Getümmel geboren sind. Möchtest du dich nicht setzen?«
    »Okay.«
    Als ich zu ihr ging und mich neben sie setzte, sah ich, dass das Sofa ganz mit schwarzem Staub überzogen war. Er geriet mir überall auf die Hände und auf meine Kleider. Ms

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