Vom glücklichen Leben (German Edition)
eingeschlossen von jähen Felsen,
schrecklich, überall öde von verlassenen Orten.
Keine Früchte bringt der Herbst, der Sommer führt keine Ernte herbei,
und der Winter, reich an Reif, entbehrt des Geschenkes Pallas’.
Es gibt keinen regenreichen Frühling mit erfreulicher Frucht,
und kein Kraut bringt der unglückliche Boden hervor.
Kein Brot, keine Wasserquelle, nicht die letzte des Feuers.
Hier gibt es nur diese zwei: den Verbannten und die Verbannung.
Die Unwirtlichkeit des Ortes spielt jedoch in der Trostschrift, die er wohl 42 an seine Mutter Helvia sandte, keine wichtige Rolle mehr, 58 denn nach stoischer Lehre gehört die Lebensumwelt zu den gleichgültigen Gütern, bei denen es nur darauf ankommt, welche Haltung man zu ihnen einnimmt, so wie es auch mit Helvias Sehnsucht nach ihrem exilierten Sohn ist. Die Argumente zur Erleichterung seiner Mutter musste Seneca dabei nicht alle selbst erfinden. In hellenistischer Zeit gab es dazu bereits eine reiche Literatur, und die dort verfassten Werke deuten darauf hin, dass Seneca eine relativ stattliche Bibliothek mit nach Korsika nehmen durfte. In der Trostschrift an seine Mutter stellt sich Seneca als den Stoiker vor, dessen innerem Glück selbst die Verbannung nichts anhaben kann. Die Klagen eines Cicero oder Ovid kann er nicht wiederholen, ohne als Philosoph unglaubwürdig zu werden.
Sein Exil nutzte Seneca schriftstellerisch. Nach der Trostschrift an die Mutter entstand, wahrscheinlich im folgenden Jahr, eine an Polybius anlässlich des Todes von dessen Bruder, sowie die drei Bücher De ira . In der Schrift an Polybius zeichnete Seneca ein bedeutend traurigeres Bild von seinem Exil als gegenüber seiner Mutter, da er sich vom Einfluss des Adressaten eine Förderung seiner Rückberufung erhoffte. Doch auch Polybius fiel am Ende Messalina zum Opfer. In De ira erwies sich Seneca als exakter Beobachter menschlicher Wesensart und äußert sich auch zu Fragen der Pädagogik, was ihn bei Agrippina, Claudius’ Nichte und vierter Frau und Mutter Neros als Erzieher ihres Sohnes als geeignet erscheinen ließ.
Acht Jahre würde Seneca auf Korsika bleiben müssen, bis er nicht nur nach Rom zurückgerufen, sondern auch sogleich in ein hohes Amt berufen würde.
Von der freien Zeit
Einführung
Die drei Jahre nach seinem Rückzug von Neros Hof 59 bis zu seinem Tod 62 verbrachte Seneca vor allem auf seinem Weingut Nomentum außerhalb von Rom. Er gab keine großen Empfänge mehr und trat nicht mehr mit zahlreichem Gefolge in der Stadt auf. Wie schon in seiner Jugend, machte sich auch jetzt seine angeschlagene Gesundheit wieder stärker bemerkbar. Allerdings nutzte Seneca nach dem Vorbild Ciceros jene Phase, in der eine politische Tätigkeit weder möglich noch Erfolg versprechend war, zur Abfassung bedeutender philosophischer Schriften. Außer den Naturales quaestiones und den Epistulae morales ad Lucilium entstand in dieser Zeit die leider nur fragmentarisch erhaltene Abhandlung De otio ( otium – Muße, freie Zeit, Zurückgezogenheit), in der sich der Philosoph mit dem Wert von otium , mit den Bedingungen desselben und mit der besten Art seiner Nutzung auseinandersetzt.
De otio ist eine Empfehlung für den Rückzug ins Privatleben und für die Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Fragen, die Seneca selbst mit der Abfassung der Naturales quaestiones in die Tat umsetzte. Gleichzeitig stellt De otio aber auch eine Rechtfertigung für den Abschied von Neros Hof und in demselben Zuge eine Anklage der dortigen Zustände dar. Resigniert stellt Seneca fest, dass die römische res publica vor die Hunde gegangen und eine sinnvolle politische Tätigkeit aus der Sicht des Stoizismus daher weder möglich noch geboten sei. Stattdessen wertet er die Philosophie auf, die im Gegensatz zur Politik nicht nur einem Staat in der Gegenwart, sondern der ganzen Menschheit für alle Zeiten dient.
De otio ist nach Angaben mancher Forscher dem Freund und Verwandten Senecas, Annaeus Serenus, gewidmet, der auch Adressat für De tranquillitate animi und De constantia sapientis ist. Tatsächlich wird aber im erhaltenen Teil der Schrift Seneca eher zu seinem eigenen Gesprächspartner. Daneben setzt er sich noch einmal mit epikureischen Standpunkten auseinander.
Von der freien Zeit
Übersetzung
(1) [Der Anfang des Textes fehlt.] Uns empfehlen sie in großer Übereinstimmung Fehler. Mag sein, dass wir nichts anderes, was uns heilsam ist, versuchen; nützen wird es jedenfalls, wenn sich
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