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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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Zebrastreifen, ignorierte wütendes Hupen vor und hinter mir und hätte meinen Vater auch jetzt noch am liebsten erwürgt. Was erdreistete sich der Kerl, mir so in meine Tage zu pfuschen? Hatte er seine Manieren dem Leben zum Fraß vorgeworfen? Zumindest mit Achtung und Respekt konnte er mich behandeln, wenn er schon nicht loben wollte. Ich spielte in Gedanken unsere gemeinsame konfliktreiche Vergangenheit durch und eine nicht weniger unheilvoll anmutende Zukunft. Das Schicksal hatte mich mal wieder ausgebootet, und zwar bei vollem Bewusstsein. An dieser trüben Prognosen-Suppe konnte ich mich nur verschlucken. Doch damit es nicht soweit kam, musste ich etwas unternehmen.
    Nach einer Viertelstunde wildem Herumgerenne war ich außer Puste und konzentrierte mich wieder auf Almut. Sie litt noch immer unter starken physischen Schmerzen. Wenn ich ihr wenigstens helfen könnte, die zu meistern, würde das auch meiner Arbeit zugute kommen. Ich entsann mich eines Artikels in einer Fachzeitschrift, die ich zuletzt an einem gemütlichen Abend zu Hause bei einem mit Käse und Gurken belegten Brot und einem guten Glas Merlot studiert hatte. Mehrere kontrollierte Studien hatten zweifelsfrei den Nutzen der Akupunktur bei postoperativen Schmerzen belegt. Man konnte die Dosis von Narkotika auf ein Drittel der üblichen Menge reduzieren, und zwar lediglich mit einer lumpigen einwöchentlichen Akupunkturbehandlung. Wenn ich Almut dahingehend beeinflussen konnte, genau das auszuprobieren, würde ich vielleicht doch noch einen Zugang zu ihr bekommen. Sozusagen durch die Hintertür. Indem ich mit ihr über ein Thema sprach, das sie direkt betraf, mich oder unsere Arbeit aber nicht, würde ich signalisieren, wie wichtig sie mir als Mensch war, nicht nur als Arbeitsobjekt. Offenbar waren Akupunkturnadeln tatsächlich imstande, jene Regionen des emotionalen Gehirns zu blockieren, die für die Erfahrung und das Erleben von Angst und Schmerz zuständig sind. Außerdem regte Akupunktur die Sekretion von Endorphinen an, den kleinen, vom Gehirn produzierten Molekülen, die wie Heroin und Morphium wirkten. Ich würde Almut davon berichten und am besten gleich einen geeigneten Akupunkteur mitbringen, der sie behandeln konnte. Sicher gewann ich damit ein Stück weit ihr Vertrauen. Und das wäre dann die Vorbereitung für eine entspanntere Zeit und produktive Ermittlungen. Ich atmete erleichtert auf. Mit einem Plan, der zu funktionieren schien, fühlte ich mich gleich bedeutend besser.
    Als ich um die Ecke bog, die in meine Straße führte, hörte ich plötzlich Marks Stimme. Sie war leise wie das Säuseln des Windes und ich wunderte mich, dass ich sie trotzdem wahrnahm. »Hast du geklärt, weshalb Lohmanns Überwachungskamera an besagtem Tag keine Bilder aufgezeichnet hat, Lea?«, wollte er von mir wissen. Kein Wort über sein Liebesgeständnis.
    Ich stolperte fast über eine abgebrochene Granitkante am Übergang vom Bürgersteig zur Fahrbahn. »Was denkst du denn?« Mit blutleerem Gesicht stand ich im Rinnstein und sprach ohne ein Gegenüber. Ich hatte also ausgezeichnete Chancen, von meinen Mitmenschen als Irre wahrgenommen zu werden. »Das war das Erste, was Frank und ich gecheckt haben. Die Alarmanlage war außer Betrieb.«
    Mark erwiderte nichts, doch ich wusste, was in ihm vorging. »Du denkst, es war kein Zufall. Es steckt was dahinter?«, mutmaßte ich.
    »Das denkst du schon eine ganze Weile, aber du hast diesen Gedanken nicht weiterverfolgt, weil du so beschäftigt bist. Ich nehme nur deine Gedanken auf, Lea.«
    Marks ständige Andeutungen machten es mir nicht unbedingt leichter, mit meinem aktuellen Fall zurande zu kommen, eher schwerer. Mein Schmalspur-Leben wurde noch eine Spur enger. »Schön, dass du mir das mitteilst«, sagte ich nur, weil mir nichts Besseres einfiel.
    »Du hast viel zu viele andere störende Gedanken über diesen einen gelegt, Lea. Geradeso, als müsstest du dich im Sommer mit zwei Decken zudecken. Da darf man sich auch nicht wundern, dass einem heiß wird.« Mark lachte, aber ich fand das Beispiel nicht besonders lustig.
    »Ich würde mich nie im Sommer mit zwei Decken quälen. Das gliche einer Selbstmordabsicht«, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen. Hatte ich mir nicht vorgenommen, etwas besonnener und ohne große Emotionen mit Mark zu sprechen?
    »Du verstehst mich schon, Lea. Aber schön, dass du mir eine Weile deine wunderschöne warme Stimme gönnst.« Ich war vor dem Haus angekommen, hinter dessen

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