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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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könnte oder was ein tiefes Lächeln verhindern würde. War das nicht die Wahrheit, auf die es ankam? Die Gerechtigkeit der Liebe. Ich fühlte, wie mein Herz weit und offen wurde, spürte, wie der Gedanke an Mark mir Kraft gab, während ich durch die Straßen zog, denn er gab mir das Gefühl zurück, dass es möglich war, allein deshalb geliebt zu werden, weil man existierte. Exzellentes Aussehen oder eine besondere Fähigkeit, die einen aus der Masse der Menschen heraushob, waren nicht nötig. Es reichte, dass man da war, dass man lebte. Das Gefühl befreite mich von einem Moment auf den anderen. Es machte mich frei. Zumindest für den Augenblick, in dem mir das alles bewusst wurde.
    Der Wind, der plötzlich aufgebrandet war, schien sich genauso schnell wieder zu legen. In Sekundenschnelle fühlte sich die Luft wieder warm und schneidend dicht an. Wenn ich an Mark dachte, musste ich auch an Würde denken. Meine Güte, wer schlug sich heutzutage mit solchen Begriffen herum? So schimpfte ich mit mir, während ich die letzte Biegung, die zur Villa Lohmann führte, hinter mich brachte. Mit jedem Schritt, den ich tat, war ich mir sicherer, dass Almut den Mörder ihres Mannes nicht ins Haus gelassen hatte, weil er bereits in selbigem gewesen war. Die Frage war nur, wie lange befand er sich bereits dort und vor allem, weshalb?
    Würde! Meine ursprünglichen Überlegungen holten mich wieder ein, die schien seit langer Zeit ausgestorben zu sein. Sogar der Gedanke an sie schmeckte wie veralgtes Wasser: trübe, schwer und wenig bekömmlich.
    Die Sehnsucht nach Mark, und zwar eine solche, die man fühlt, wenn man heillos verliebt war, unterdrückte ich gekonnt.
    Der andere Gedanke, der mir weismachte, Almut kenne jenen Mann, der ihren Ehemann auf dem Gewissen hatte, nahm dagegen immer deutlichere Formen an. Was das Ganze perfide und verrückt aussehen ließ, waren die Misshandlungen, die sie durch die Hände dieses Mannes erfahren hatte. Für dieses Missverhältnis musste es einen triftigen Grund geben. Einen, den ich enttarnen musste.

    Nachdem Norma mir geöffnet hatte – wie immer mit einem Lächeln im Gesicht, das sich nicht zwischen Bedauern und Beschuldigung entschließen konnte –, ging ich zuerst ins Wohnzimmer. Ich stellte mich vor die riesige Fläche aus Bücherrücken und ging die Reihen, eine nach der anderen, durch. Romane, von A bis Z geordnet, Biografien, Sachbücher, vor allem zum Thema Wirtschaft, Geschichte, Marketing und Werbung, des weiteren Comics eines berühmten französischen Autors sowie Kultbücher, die man bereits gewinnbringend verkaufen konnte. Dazu gesellten sich einige prächtige Bildbände zum Thema Interior Design, Luxury Living New York, Paris, Mailand, Rom, Karibik. Die Tagebücher der Anais Nin, vollzählig, das wusste ich, weil ich sie ebenfalls gelesen oder besser gesagt gefressen hatte, im passenden Alter selbstverständlich. Ich spürte, wie mein Kopf, den ich permanent schief hielt, ins Wanken geriet. Genickstarre wollte ich mir nicht einhandeln, deshalb entspannte ich mich einen Moment. Doch ich hielt das rastlose Stehen vorm Bücherbord nicht aus und machte weiter. Weshalb ich tat, was ich tat, war mir nicht bewusst. Ich folgte einer Eingebung. Ungefähr so, wie ich es früher beim Versteckenspielen gemacht hatte, als niemand außer mir wusste, wo sich meine beste Freundin Romina befand. Nämlich unter einer riesigen Papiertüte im Vorratsraum. Da saß sie stocksteif als personifizierter Abfall und lachte sich innerlich kringelig, weil wir nicht draufkamen. Damals hatte ich nicht darüber nachgedacht, wo ich suchen musste, sondern einfach gehandelt. Intuition war vielleicht nicht der richtige Ausdruck dafür, den verwenden wir bloß, weil wir keinen besseren kennen. Manchmal, in stillen Stunden, vermutete ich, dass alles Wissen im Universum zur Verfügung stand, als gesammeltes Werk sozusagen, und dass man sich nur auf die passende Frequenz einstimmen musste, um es abzurufen. Sender und Empfänger. So einfach, so genial.
    Diese Dinge überfielen mich, seit ich Mark kannte. Manchmal war ich wütend auf ihn wegen seines Liebesgeständnisses, denn selbst wenn es an mich als Frau gerichtet war, wo sollte das hinführen? Ich fand, Mark hätte sich vorher Gedanken darüber machen können, was es für mich bedeutete, wenn auch ich ihn liebte. Wäre das nicht eine Katastrophe? Eine Liebe ohne Zukunft, ohne die kleinste Möglichkeit sie auszuleben, war nicht gerade das, worauf ich scharf war.

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