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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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abgesehen hatte. Wir schlugen direkt vor der Türklinke auf, ein kurzer Schlag zweier Körper. Die Türklinke, die ich als rettenden Anker im Visier gehabt hatte, verschwand unerreichbar vor meinen Augen. Ich hatte mir die Nase aufgeschlagen, schmeckte Blut auf meiner Zunge und spürte den Schmerz. Ich fuhr automatisch mit der Hand nach oben und tapste in die rote, klebrig-warme Flüssigkeit. Dann stöhnte ich auf.
    »Bleib liegen und sei ruhig!«, presste er hervor und warf seinen blutigen Arm um meinen Oberkörper. Ich drehte den Kopf und spürte, dass meine Wange an seiner ehemals verletzten liegen blieb. Wir klebten aneinander wie zwei Kaugummis. Nicht mehr zu trennen, fest aufeinander gepresst. »Still!«, verlangte er.
    Ich lag da, von seinem Arm umschlungen, seinem Bein bewacht. Ein widerwärtiges Paar, das am Boden rollte. Wenn das die feindliche Übernahme meines Körpers sein sollte, war sie gelungen. Ich lag eingeklemmt und kaum bewegungsfähig da. Die Fliesen schickten eine unangenehme kalte Strömung in mein Innerstes. Ich spürte, wie mich fror, wie ich zittern und zetern wollte, aber nichts davon umsetzen konnte. Irgendwie schafften wir es wieder auf die Füße. Torkelnd kamen wir zum Stehen.
    Almut, die hinter der Tür auf ihren Liebhaber wartete, der derweil mich umschlang wie eine giftige, aber nicht abzuschüttelnde Schlingpflanze, mit Armen wie die eines Roboters und einer Stimme, die mir schiere Angst einjagte, so wortkarg, aber gewaltig war sie. Ich steckte mitten in dieser Geschichte fest, war ein Teil von ihr. Zwischen Bogdans Händen, seinen Beinen und Füßen und seinem Atem eingeklemmt. Wartend. Ein zäher Geruch breitete sich aus, keine Ahnung, woher er kam. Ich wagte kaum zu atmen, so sehr widerte mich die Luft an, die ich in meine Lungen ließ. Als ich ihm einen Blick zuwarf, sah ich, dass er mich anglotzte. Mit viel zu großen Pupillen, in deren Mitte sich das Weiß in Schwarz verwandelte. Der Farbe des Verderbens.
    Meine Angst pulsierte erneut und setzte sich in meinem Magen fest. Die Kälte des Zimmers kroch mir, nachdem sie meine Füße, Unterschenkel, Oberschenkel, Gesäß und Hüfte eingenommen hatte, die Brust, den Hals und den Nacken hinauf, um sich jetzt in meinem Inneren einzunisten, mir in die Adern zu drängen und den Blutkreislauf zu infizieren.
    »Wir müssen sehen, dass wir hier wegkommen«, meinte er entschieden.
    »Was?«, quetschte ich heraus, während weiterer Speichel aus meinem Mund rann und sich mit dem Blut aus meiner Nase vermischte.
    »Verflixt, ich bin’s! Oder was glaubst du, wer dich vor der größten Dummheit deines Lebens bewahrt?«
    Ich spürte, wie meine Gedanken, die viel zu langsam wieder ansprangen, sich verhedderten. Ein unsichtbares Knäuel, das nichts zuließ, außer Widerstand.
    »Ich verstehe kein Wort«, brachte ich hervor und spürte, wie sich sein Oberarm eine Spur lockerte. Ich wollte warten, bis er sich sicherer fühlte. Mich sofort auf diese winzige Chance zu stürzen, hätte vermutlich nichts gebracht außer neuen Scherereien. Diesmal musste ich klüger vorgehen. Schließlich wollte ich freikommen. »Ich bin’s, Mark!«, sagte er schließlich.
    »Waassss!«, diesmal war es ein bewusst gewähltes Wort, keines, das mir einfach so aus der Kehle sprang. Es war ein leiser Schrei, in dem alle Verwirrtheit lag, zu der ich fähig war. Ich starrte ihn mit riesigen Augen an. Ein Blick, der nicht daran gewöhnt war, etwas zu fassen zu kriegen.
    » Du bist das? Aber du hast doch keinen Körper.«
    »Hast du meine Stimme nicht erkannt? In deinem Inneren, meine ich?«
    Ich fand keine Antwort auf Marks Worte. Ich war viel zu mitgenommen und verwirrt, um irgendetwas zu sagen. Vermutlich hätte es auch keinen Sinn ergeben.
    Er lockerte sein rechtes Bein, das mein linkes an die Wand gepresst hatte. Dann nahm er den Arm von meinem Oberkörper. Ich schob mich von ihm weg. Von dem seltsamen Gesicht mit der Narbe. Die ersten Schritte brachte ich nur mühsam zustande.
    »Wieso hast du einen Körper?«, zwang ich aus mir heraus, nachdem mein Gehirn wieder einigermaßen funktionierte.
    Das Blut, das ich eben noch an seiner Hand gesehen hatte, war urplötzlich verschwunden.
    »Jeder, der den Tod und den Gedanken daran überwunden hat, kann auf seinen Körper zugreifen, wenn es nötig ist.«
    »Du kannst deinen Körper annehmen …?«, stotterte ich. Himmelherrgott, was bedeutete annehmen?
    »Ich kann auf ihn zugreifen. Ja«, versuchte Mark es mir zu

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