Vom Himmel hoch
Haben Sie etwas entdecken können, was auf eine
gewaltsame Öffnung schließen lässt?«
Jetzt schüttelte der Mann den Kopf. »Nee! Davon war
nichts zu sehen.«
»Wer hat noch einen Schlüssel für den Schrank?«
Die Antwort kam prompt. »Die Herren Roth, Banzer und
die Frau Landwehr.«
»Und der Bardolic?«
»Natürlich nicht. Dem Jugo traue ich nicht. Diese
Leute aus dem Osten sind mit Vorsicht zu genießen. Das wäre ja noch schöner,
denen einen Schlüssel zu geben. Überhaupt – den habe ich heute noch gar nicht
gesehen. Der ist vielleicht mit dem Wagen unterwegs und macht Schwarzarbeit auf
eigene Rechnung. So wie der Kleinwächter, der hat nicht mal eine vernünftige
Ausbildung. Hat ohne Meisterbrief gearbeitet. Als Konkurrent von uns. Dem hat
der Herr Banzer aber gehörig auf die Finger geklopft. Das kann ich Ihnen
sagen.«
»Herr Bardolic hat heute Urlaub«, klärte Christoph ihn
auf.
»Ach so, das wundert mich. Meistens spielen diese
Leute doch krank. So wie die kleine Ellen häufig am Montag krank ist. Oder die
Doris Landwehr. Die hat vor einem halben Jahr für Wochen gefehlt. Da gab es
allerlei Gerüchte. Auch der Dicke …«
»Sie meinen Carsten Fröhlich«, warf Christoph ein.
»Ja, den. Der Dicke spielt auch oft krank. Während der
Herr Banzer sich sogar mit der dicksten Erkältung ins Büro gequält hatte.«
»Kann es sein, dass der eine oder andere Kollege wegen
Mobbing krank wird?«
Der Hausmeister fuhr entrüstet in die Höhe. »Was heißt
hier Mobbing? So gut wie in dieser Firma haben es die Leute doch nirgendwo. Der
Chef und ich sagen immer, wie sind hier …«
»… eine große Familie«, fiel ihm Große Jäger ins Wort.
»Noch einmal zurück zum Autoschlüssel und den Papieren. Wer könnte die aus dem
Schrank entwendet haben?«
»Weiß ich doch nicht. Das herauszufinden ist Ihre
Aufgabe«, antwortete Schädlich fast ein wenig zu schnell.
»Dann beschreiben Sie uns mal den gestohlenen Lkw.
Aussehen, Größe, Farbe und so weiter.«
»Ich hole Ihnen eine Beschreibung und ein Bild, dazu
eine Kopie von den Fahrzeugpapieren. Das haben wir alles in der Fahrzeugakte.
Es dauert einen Moment.«
Damit verschwand der Mann.
Große Jäger rieb sich die Nase. »Der Banzer ist
bestimmt direkt nach seinem Tod in den Himmel gekommen.«
Christoph sah ihn verblüfft an. »Wie soll ich das
verstehen?«
»Nun, so wie Roth und der Hausmeister uns den
geschildert haben, war das ein Heiliger.«
»Dagegen stehen aber die nicht sehr schmeichelhaften
Aussagen der anderen Mitarbeiter. Da war keiner, der ein gutes Haar an dem
Toten gelassen hat.«
»Und der Roth hat ihm in Wahrheit wohl auch die Pest
an den Hals gewünscht. Jedenfalls war Banzer alles andere als sein
Wunschpartner in der Geschäftsleitung. Ich kann das fast nachempfinden. Wer hat
schon gern einen Maulwurf in seiner nächsten Umgebung«, bekräftigte der
Oberkommissar und fügte hinzu: »Vielleicht habe ich doch ein bisschen Recht.
Der Banzer hat versucht, in den Himmel zu kommen. Und nach all dem, was er
seiner Umgebung zugemutet hat, haben sie ihn dort kurzerhand wieder
hinausgeworfen. Und so ist er auf dem Marktplatz von Bredstedt gelandet.«
In ihre Unterhaltung hinein meldete sich Christophs
Handy. Mommsen war am anderen Ende.
»Wo bleibt ihr denn?«, wollte er wissen. »Hier ist der
Teufel los.«
Er schilderte kurz den Überfall hinter dem
Palmengarten.
»Starke versucht den ganzen Vormittag, euch zu
erreichen. Über Funk meldet sich keiner. Er möchte wissen, wo ihr euch
herumtreibt.«
»Wir ermitteln in Sachen des gestohlenen Lkws«,
erklärte Christoph.
»Das habe ich ihm auch gesagt«, erwiderte Mommsen.
»Die Folge war, dass er mich beschimpft hat. Seiner Meinung nach kann das einer
aufnehmen. Dazu ist, wie er sich ausdrückte, nicht die komplette Dienststelle
erforderlich. Wir Husumer würden wieder einmal die gesamte Polizeiarbeit
Schleswig-Holsteins blockieren. Wenn diese Dienststelle nicht mit solch
leistungsschwachen Beamten besetzt wäre, würde sich die Polizei nach außen mit
einer wesentlich besseren Aufklärungsquote darstellen können.«
Diese unsachliche Argumentation war typisch für ihren
Vorgesetzten, den ehrgeizigen und nach außen dynamisch auftretenden
Kriminalrat. Vor Christophs geistigem Auge tauchte Starke auf: durchgestylt, kurze
braune Haare, sonnenstudiobraun. Von sich selbst überzeugt, enttäuscht darüber,
mit seinen vierunddreißig Jahren und der geringen Berufserfahrung immer noch
nicht
Weitere Kostenlose Bücher