Vom Himmel hoch
finden.«
»Könnte das heißen, dass Harald Banzer über ein
Geländer gestoßen wurde? Jemand hat ihn bei den Schultern gepackt und über die
Barriere gedrückt, sodass Banzer abstürzte?«
»Gut kombiniert. Wenn du weiter fleißig übst, wird aus
dir vielleicht doch noch einmal ein richtiger Detektiv.«
»Was für ein Geländer war das?«
»Metall. Wir untersuchen noch die Mikrospuren. Das
dauert aber bis morgen. Dann kann ich dir sogar die Legierung sagen.«
»Gibt es Anzeichen dafür, dass Banzer sich gewehrt
hat? Kampfspuren? Kratzer? Hinweise auf einen möglichen Gegner?«
Jürgensen lachte erneut auf, ohne dass diesmal ein
Niesen oder Husten folgte.
»Der konnte sich nicht wehren. Dein Toter war stockbetrunken,
als er über Bord gegangen ist. Wir haben einen Blutalkohol von fast zwei
Promille festgestellt.«
Christoph bedankte sich bei seinem Kollegen vom
Erkennungsdienst.
Er befand sich in einer Sackgasse. Ohne Austausch der
Informationen, die Große Jäger heute Nachmittag zusammengetragen hatte,
eventuelle weitere Hinweise von der Mordkommission oder Mommsen bewegte er sich
im Kreis.
Für heute konnte er nichts weiter unternehmen. Er
beschloss, sich noch einmal den Akten und Papieren auf seinem Schreibtisch zuzuwenden.
Sein Blick fiel auf den Umschlag, den ihm der
Hausmeister übergeben hatte. Er steckte die Hand danach aus, als sein Handy
klingelte.
»Hallo«, meldete er sich.
»Hallo«, kam eine Frauenstimme wie ein Echo zurück.
»Hier ist Anna Bergmann, die Sprechstundenhilfe von Dr. Hinrichsen. Ich wollte
mich nur erkundigen, ob Ihre Einladung zum Italiener ernst gemeint war?«
Christoph war im ersten Augenblick sprachlos.
»Ja, natürlich«, stammelte er und sah die große Frau
mit den leicht rötlichen Haaren vor seinen Augen. »Nur heute nicht. Ich habe im
Augenblick keine Zeit. Der aktuelle Fall nimmt mich sehr in Anspruch.«
»Das hatte ich auch nicht erwartet. Ich wollte nur
eine grundsätzliche Antwort. Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht. Ich freue
mich auf später. Irgendwann!«
Ohne eine Antwort abzuwarten hatte sie aufgelegt.
Verwirrt stand er auf, warf noch einen letzten Blick
auf die Papiere und entschloss sich, für heute Feierabend zu machen.
Sein Auto stand noch vor der Wohnungstür, dort, wo ihn
Mommsen in aller Frühe aufgegabelt hatte. So blieb ihm an diesem herrlichen
Frühsommerabend nur der Fußweg zu seiner Wohnung am nördlichen Stadtrand.
Er wählte den Weg über den Marktplatz, nickte der Tine
zu und ging durch die kleine Gasse neben dem historischen Rathaus, die ihn zum
Schlosspark führen würde. Mitten durch das frische Grün dieser herrlichen
Jahreszeit, die auch der steinerne Theodor Storm in der Mitte des Parks zu
genießen schien, strebte er seinem Heim zu.
*
Obwohl die Tagesschau schon vor über einer Stunde den
»deutschen Feierabend« eingeleitet hatte, zeigte sich die Sonne immer noch als
leuchtend roter Ball im Westen. Im Juni war es um diese Zeit noch taghell.
Rubina Hansen, Anwältin und Pastorenfrau, stemmte ihre
Hände ins Kreuz, bog dieses durch und stöhnte auf, als ihr Mann mit einem
Wäschekorb die Kellertreppe hochkam.
»Warum enden wunderschöne Ferien immer so grausam«,
beklagte sie sich. »Wieso muss die Wäsche, die man aus dem Urlaub mit
heimgebracht hat, gewaschen werden?«
Er stellte den Korb ab und nahm sie in den Arm. »Jetzt
haben wir es geschafft«, versicherte er, »ich habe die letzte Waschmaschine
gestartet. Die kann sich über Nacht austoben. Wir trinken in Ruhe noch ein
kleines Glas Wein und gehen dann zu Bett.«
»Ich möchte keinen Wein mehr«, protestierte sie. »Ich
bin hundemüde. Komm«, lockte sie, »wir lassen jetzt alles stehen und liegen.
Den Rest erledigen wir morgen, sonst ist die ganze Erholung hinüber.«
Er zwinkerte ihr zu. »Was habe ich für eine kluge
Frau.« Dabei gab er ihr einen zarten Klaps auf das wohlgerundete Sitzfleisch.
Sie war gerade im Begriff, die Stufen nach oben zu
erklimmen, als das Telefon läutete.
»Ach neee«, stöhnte sie auf, nahm aber doch ab.
Ihr Mann verfolgte ihre Ausführungen, die immer wieder
von den Antworten des Anrufers unterbrochen wurden, interessiert.
»Ja … Nein … Das ist schwierig am Telefon zu erklären
… Selbstverständlich bin ich immer für Sie ansprechbar … Nein, heute Abend
passt es wirklich nicht mehr … Ja, der ist auch da. Möchten Sie mit ihm
sprechen?«
Sie hielt ihrem Mann den Hörer hin.
»Wer?«, wisperte Pastor Hansen, und
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