Vom Himmel hoch
ihn befiel eine
vorsichtige Ahnung. »Er?«
Sie nickte und gab den Hörer weiter.
Jetzt bekam Rubina Hansen nur einen Teil des Dialogs
mit.
»Hallo, hier ist Hansen.«
Dann folgte eine längere Ausführung, nur unterbrochen
von einem gelegentlichen »Hmmh!« des Pastors.
»Das ist eine für Sie sicher sehr schwierige
Situation«, brachte sich Hansen jetzt wieder aktiv in das Gespräch ein, »aber
da gibt es bestimmt einen Ausweg. Sie sollten keine unüberlegten Schritte
unternehmen. Gewiss! Wenn man mittendrin sitzt, beurteilt man es anders. Das
stimmt.«
Dann sprach wieder der andere.
Hansen nickte zu dessen Ausführungen, bis er
schließlich antwortete: »Das ist eine Frage, die mir in dieser Weise auch noch
nicht begegnet ist. Sie haben sicher Verständnis dafür, dass ich aus Unkenntnis
zur rechtlichen Situation überhaupt nichts sagen kann. Glauben Sie nicht, dass
Sie den Behörden vertrauen können? Dort wird man bestimmt auf Ihre Argumente
eingehen, sodass …«
Der Teilnehmer am anderen Ende hatte ihn unterbrochen.
Nach einer Weile erwiderte Pastor Hansen schließlich: »Wenn Sie möchten,
begleite ich Sie zur Behörde. Unter Garantie ist Ihre Lage nicht so ausweglos,
wie Sie glauben. Vor allem sollten Sie keine voreiligen Aktionen ausführen. Ich
bitte Sie inständig, Ruhe zu bewahren und von allen unbotmäßigen Handlungen
abzusehen. Und selbst wenn Sie erpresst worden sind, findet sich auch dafür
eine Lösung.«
Nach einer kurzen Unterbrechung schloss Hansen das Gespräch
mit der Bemerkung: »Sie können sicher sein, dass sowohl meine Frau wie auch ich
das uns Anvertraute nicht weitertragen werden. Neben der anwaltlichen
Schweigepflicht und der des Geistlichen achten wir auch das rein menschliche
Gebot zur Verschwiegenheit. Glauben Sie fest daran, dass es einen Ausweg gibt.
Mit Gottes Segen …«
Aber der Teilnehmer am anderen Ende hatte schon
aufgelegt.
»Ich glaube, dieser Mensch ist in ein viel tieferes
Loch gefallen, als wir es ahnen. In dessen Haut möchte ich wirklich nicht
stecken. Das arme Schwein!«
Dann folgte er Rubina Hansen in die Schlafräume ins
Obergeschoss.
*
Christoph hatte den Fußweg zur Dienststelle an diesem
herrlichen Frühsommermorgen genossen. Bei der Durchquerung des Schlossparks
hatte ihn ein vielstimmiges Konzert aus Hunderten von Vogelkehlen begleitet,
während es anschließend im Schlossgang zu dieser Stunde nahezu idyllisch ruhig
gewesen war.
Er betrat das Dienstgebäude der Polizeiinspektion
durch einen Nebeneingang.
Auf dem Flur stieß er auf Frau Fehling, die Sekretärin
des Chefs. Sie balancierte ein Tablett mit Kaffeetassen und strahlte ihn an.
Obwohl die Frau nicht mehr viele Jahre bis zur Pensionierung vor sich hatte,
staunte Christoph immer wieder darüber, dass selbst jüngere Kollegen von der uniformierten
Polizei ihr anerkennende Blicke hinterherwarfen.
»Kommen Sie am besten gleich mit. Der Chef hat schon
nach Ihnen gefragt.«
Er folgte ihr ins Vorzimmer von Polizeidirektor
Grothe. Sie meldete ihn über die Gegensprechanlage an und bedeutete ihm dann,
dass er in das Heiligtum eintreten könne.
Selbst zu dieser frühen Stunde war Grothes Büro
qualmverhangen. Der berüchtigte Londoner Nebel war gar nichts gegen die blauen
Wolken, die durch den Raum waberten.
Der Polizeidirektor saß im Lichtkegel seiner altertümlichen
Schreibtischlampe an seinem Arbeitsplatz und erwiderte Christophs Morgengruß
mit ausgestreckter Hand. Er zeigte auf den Besucherstuhl.
Christoph schoss es durch den Kopf, dass er Grothe
noch nie außerhalb seines Zimmers gesehen hatte. Er war ihm nie auf dem Flur,
in den Sanitärräumen oder gar in der Kantine begegnet. Der Mann schien in
diesem verrauchten Raum festgewachsen zu sein.
Der Polizeidirektor ließ sich über den bisherigen
Ermittlungsstand berichten und nahm den Sachstand kommentarlos zur Kenntnis.
Als Christoph seinen Vortrag beendet hatte, lehnte
sich Grothe zurück, zog noch einmal an seiner Zigarre und erklärte dann:
»Da ist noch etwas. Wir haben heute Nacht mehrere
Anrufe verschreckter Autofahrer erhalten, denen zwischen Bredstedt und Husum
ein ziviles Fahrzeug entgegengekommen ist. Es war mit einem rotierenden
Blaulicht und Martinshorn unterwegs und hat sich, sagen wir einmal, relativ
unorthodox im Straßenverkehr verhalten. Dies hätten die nächtlichen Autofahrer
sicher noch akzeptiert. Was sie aber vollends verwirrt hat, war der Wagentyp.
Alle Anrufer bestätigten einhellig, dass es sich um einen
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