Vom Himmel hoch
Kompetenzstreitigkeiten behindern die gesamte
Ermittlungsarbeit.«
Große Jäger sah ihn von der Seite an. »Ach nee! Im
Unterschied zur Dobermann gibst du aber alle deine Erkenntnisse umgehend
weiter«, grinste er. »Dabei muss man natürlich feststellen, dass eine Frau
Dobermann überhaupt nicht interessiert, was die drei Trottel aus Husum
zusammentragen. Für die sind wir doch nur die Deichdeppen. Und mit dieser
Ansicht steht sie nicht allein. Das fängt bei unserem gemeinsamen Chef an. Bei
dem kann keiner von uns einen Blumentopf gewinnen. Der ist nur karrieregeil.
Kannst du mir verraten, wieso so ein Arschloch wie dieser Scheiß-Starke auf
einen solchen Posten gesetzt wird?«
»Nun komm mal wieder auf den Teppich. Schließlich hast
du einen krisensicheren Job im Staatsdienst«, versuchte Christoph seinen
Kollegen zu beruhigen.
»Wenn mir eine Zukunft wie Kleinwächter bevorstehen
würde«, überlegte Große Jäger, »könnte ich fast Verständnis dafür aufbringen,
wenn er sich an Banzer gerächt hätte.«
»Das Elendsquartier unter dem Brückenbogen könnte er
sich mit Schönborn teilen. Dem drohte ja auch die Vertragsbeendigung. Ich
verstehe nicht, wie der Mann jetzt, wo ihm die Schlinge bereits um den Hals
gelegt wurde, seelenruhig auf dem Marktplatz spazieren geht. Ihm muss doch klar
sein, dass es seine angespannte Situation in der Firma nicht verbessert. Der
Roth sucht ihn dringend. Ob er über Informationen verfügt, die uns bisher nicht
zugänglich sind?«
Der Oberkommissar nickte. »Auffällig ist, dass alle
neidisch auf ihn sind. Alle sind der Meinung, der externe Berater würde im
Vergleich zur eigenen Entlohnung überbezahlt. Wenn der wirklich so üppig
entlohnt wird, kann ich nachvollziehen, dass er seine Pfründe sichern möchte.
Aber ob er dafür einen Mord riskiert? So viel kann jemand doch gar nicht
verdienen.«
Christoph lächelte milde. »Jetzt sprichst du schon
fast genauso wie die Leute dort im Büro. Bist du auch neidisch?«
Große Jäger schwieg nur.
»Merkwürdig ist auch, dass Volker Schwarz heute krank
ist«, fuhr Christoph fort. »Ob er dem alltäglichen Druck nicht gewachsen ist?
Stressfest erscheint mir der junge Mann nicht zu sein. Wir müssen uns aber auch
die anderen noch einmal ansehen. Mommsen bemüht sich inzwischen, etwas über
Davor Bardolic in Erfahrung zu bringen. Es wäre hilfreich, wenn du das Angebot
von Anders Sørensen annimmst und mit ihm zu seinen Verwandten nach Dänemark
fährst, um sein Alibi zu überprüfen. Ich werde jetzt zur Dienststelle nach
Husum zurückfahren.«
Große Jäger brummte etwas wie »immer ich« und stieg
aus.
Er sah Christoph nach, als dieser davonfuhr, und
kehrte dann in das Firmengebäude zurück.
*
Große Jäger musste noch ein paar Minuten warten, bis
Anders Sørensen aus dem Bürogebäude kam. Der Däne hatte seinen Golf vom
Parkplatz geholt und fuhr jetzt auf der Bundesstraße Richtung Norden.
Sie umfuhren Niebüll und überquerten nach wenigen
Kilometern die Grenze, an der nur ein einsames Schild davon kündete, dass man
jetzt im benachbarten Königreich angekommen sei.
Im Unterschied zu den eher zurückhaltenden Nordfriesen
war der Däne sehr redelustig. Er berichtete von seiner Wohnung in Tønder, wo er
mit seinen Eltern in der Altstadt wohnte, von seinem letzten Urlaub und allen
anderen Dingen, die Große Jäger überhaupt nicht interessierten.
Højer war ein überschaubares Gemeinwesen in der Weite
der Marsch jenseits der Grenze. Der abseits gelegene Ort wirkte auf den ersten
Blick zerfallen, so als hätten seine Bewohner es aufgegeben, diese Ansiedlung
am Rande des Königreichs weiterhin herauszuputzen. Das Seniorenheim lag mitten
in der Stadt. Niemand würde in Dänemark von einem Altersheim sprechen, schon
gar nicht hätte man den flachen und altengerechten Neubau an den Ortsrand
gesetzt, was für die Senioren weite Wege bis ins Zentrum bedeutet hätte.
Sørensen machte Große Jäger mit seinem Großvater
bekannt, einem rüstigen alten Herrn, der den Deutschen aufmerksam musterte und
dann offen seine Enttäuschung ausdrückte.
Einen Polizeibeamten vom großen Nachbarn, meinte der
Senior, hatte er sich doch anders vorgestellt, respektabler, von preußischem
Zuschnitt.
Dann sprach ihn Anders Sørensen auf die Feier an, was
der Alte zum Anlass nahm, ausführlich von diesem überwältigenden Ereignis zu
berichten.
Im Unterschied zu Sørensens Großvater, dem die Freude
über die Anteilnahme an seinem vergangenen
Weitere Kostenlose Bücher