Vom Himmel hoch
Ehrentag deutlich anzumerken war,
drängte den Oberkommissar die Zeit.
Erst nach mehreren Anläufen gelang es Große Jäger, dem
alten Mann ein paar Fragen zu stellen.
Ohne Umschweife bestätigte er, dass sein Enkel, dabei
strahlte er Anders stolz an, selbstverständlich an dem Geburtstag teilgenommen
habe.
Mit einem freundlichen Dankeschön verabschiedete sich
Große Jäger und bekam das Versprechen abgenommen, doch bald wieder einmal im
Seniorenheim von Højer vorbeizuschauen, um den Bewohnern von seiner sicher sehr
spannenden Detektivarbeit im großen Deutschland zu berichten.
»Um sicherzugehen«, meinte der Däne zum Oberkommissar,
»weil Sie meinem Großvater möglicherweise kein objektives Urteil zubilligen,
werden wir noch schnell den Bürgermeister aufsuchen.«
Sie betraten den ebenerdigen Verwaltungsbau, und
Sørensen hatte nach kurzer Orientierung das Amtszimmer des Gemeindevorstehers
gefunden. Er klopfte pro forma kurz gegen die Tür mit dem Schild
»Børgermester«, dann betraten sie ein schlichtes, aber zweckmäßig in
skandinavischem Design eingerichtetes Büro.
»Hej«, grüßte Anders. Der hemdsärmelige Rotblonde
hinter dem Schreibtisch blickte kurz auf, erkannte Sørensen und gab ebenso kurz
»Hej« zurück.
Anders machte Große Jäger mit dem Bürgermeister
bekannt und erklärte in zwei Sätzen, warum Große Jäger hier sei.
»Kein Problem«, stellte der Bürgermeister fest und
bestätigte alle Fragen des Oberkommissars im Sinne Sørensens. Ja, er habe
selbstverständlich auch an der Feier zu Ehren eines so verdienten Mitbürgers
wie Anders’ Großvater teilgenommen und könne deshalb bestätigen, dass Sørensen
ebenfalls anwesend war.
»War Herr Sørensen die ganze Zeit bei dem Fest?«,
wollte Große Jäger wissen.
Der Bürgermeister schüttete sich aus vor Lachen. Er
schlug sich auf die Schenkel und benötigte eine Weile, bis er wieder klar
sprechen konnte.
»Solche Fragen kann auch nur ein Deutscher stellen«,
dröhnte er. »Niemals würde ein Däne freiwillig eine solche Veranstaltung
verlassen, schon gar nicht, wenn es der neunzigste Geburtstag des Großvaters
ist.«
Deutlicher konnte das Alibi nicht zugunsten Sørensens
ausfallen.
Auf dem Weg zurück nach Bredstedt wunderte sich Große
Jäger, wieso Sørensen so komplikationslos in das Büro des Gemeindevorstehers
hineinspazieren konnte.
»Haben Sie besondere Beziehungen? Kennen Sie sich?«,
wollte er wissen.
Anders Sørensen lachte fröhlich. »Nein«, erklärte er,
»wir sind weder befreundet noch verwandt. Aber bei uns in Dänemark ist der
Umgang miteinander unkompliziert. Und die Verwaltung ist für den Menschen da.
Ohne Bürger wäre der Amtsleiter vielleicht Fischer oder Bauer. Für wen sollte
er Bürgermeister sein, wenn es die Bürger nicht gäbe? Also ist er nicht nur für
die Menschen da, sondern auch von ihnen abhängig.«
Wie schön wäre es, überlegte Große Jäger, wenn dieses
Bewusstsein auch in seiner Heimat vorhanden wäre.
Sørensen hatte den Oberkommissar gefragt, wohin er ihn
bringen könne, da der Polizist ohne eigenes Fahrzeug unterwegs war.
»Setzen Sie mich am Marktplatz in Bredstedt ab«,
dankte ihm Große Jäger.
Armer Wilderich, führte er dann Selbstgespräche, dein
Beruf fordert wieder einmal den ganzen Mann, den vollen Einsatz. Schön, dann
wirst du dich im Dienste der Gerechtigkeit opfern und durch alle Kneipen
Bredstedts ziehen. Das bringt auch neue Eindrücke im Vergleich zu der dir hinreichend
bekannten Husumer Szene.
Große Jäger holte noch einmal tief Luft, zündete sich
eine Zigarette an und steuerte zielgerichtet die erste Kneipe an.
»Wenn’s der Wahrheitsfindung dienlich ist«, murmelte
er vor sich hin.
SIEBEN
Seit nahezu vierzig Jahren wohnte Erich Schimkowski
schon in der Ludwig-Ohlsen-Straße. Die roten Backsteinhäuser waren damals
Soldatenfamilien und den zivilen Beschäftigten des benachbarten Fliegerhorsts
vorbehalten gewesen. Doch das hatte sich im Laufe der Jahrzehnte geändert. Wie
manches andere.
Als Erich Schimkowski nach seinem Dienst als
Zeitsoldat in die Standortverwaltung Husum wechselte, hatte dieser Teil der
Stadt noch anders ausgesehen. Die Kaserne war das letzte bebaute Grundstück an
der Chaussee Richtung Flensburg gewesen. Schwimmhalle, Umgehungsstraße,
Messehalle, das ganze Gewerbegebiet – das alles wurde erst später gebaut. Die
Zufahrt zum Fliegerhorst erfolgte damals noch durch die schmale Toreinfahrt
zwischen den Gebäuden des Stabes und der
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