Vom Himmel hoch
war Banzer kein Musterknabe, schon
gar nicht zart besaitet, wenn es um andere ging. In diesem Fall aber muss ich
ihm zum Teil zustimmen. Schönborn hat die ihm aus seiner Stellung als Externer
zustehenden Freiheiten zu sehr ausgelebt«, erklärte sie und verabschiedete dann
die beiden Beamten.
*
Mommsen saß an seinem Schreibtisch und spielte mit
seinem Kugelschreiber. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als auf dem Flur
der Polizeiinspektion Stimmen zu hören waren. Lautstark wurde dort eine
Auseinandersetzung zwischen einem Mann und mehreren Beamten geführt, ohne dass
Mommsen den Grund verstehen konnte. Er lehnte sich in seinem Bürosessel zurück,
holte tief Luft und fixierte einen Moment einen imaginären Punkt an der Wand.
Seine Bemühungen in den letzten Stunden, etwas über
den Verbleib von Davor Bardolic in Erfahrung zu bringen, waren erfolglos
gewesen.
Reisebüros, die Flughäfen in Kiel und Hamburg und die
Bahnhofsinformationen hatten ihm nicht weiterhelfen können.
Der Mann war verschwunden.
Auch die Autoverleiher hatte Mommsen befragt. Nichts.
Zur Fahndung konnten sie Bardolic nicht ausschreiben.
Formell lag nichts gegen ihn vor. Und doch wäre es wichtig gewesen, ihm ein
paar Fragen stellen zu können.
Christoph hatte ihm die Heimatanschrift im Kosovo
durchgegeben, die Doris Landwehr aus den Personalunterlagen herausgesucht
hatte.
Mommsen starrte auf die Notiz vor sich. Vielleicht war
der Mann in seinem geplanten Urlaub in die Heimat gefahren, auch wenn es bisher
noch nicht gelungen war, seine Spur aufzunehmen.
Mommsen versuchte, über die vorgesetzte Dienststelle
in Flensburg an weitere Informationen heranzukommen. Kriminalrat Dr. Starke
konnte er nicht ansprechen, einen anderen Beamten, der sich zuständig gefühlt
hätte, fand er nicht.
Seine nächsten Anrufe beim Landeskriminalamt waren
ebenfalls nicht erfolgreich. Er solle auf dem Dienstweg ein offizielles
Unterstützungsersuchen einreichen, wurde ihm erklärt.
Mommsen nahm auf eigene Faust Kontakt zum Auswärtigen
Amt auf und schaffte es nach vielen Anläufen, immer wieder neuen Erklärungen
und einem freundlichen »Ich verbinde Sie weiter« schließlich, einen
hilfsbereiten Beamten in Berlin zu erreichen.
Interessiert fragte der Mann nach, weshalb Mommsen
diese Auskünfte begehrte, bat dann um einen Moment Geduld und gab ihm
schließlich die Telefonnummer der Geschäftsstelle des Konsulats in Pristina,
der Hauptstadt des Kosovo.
Mommsen wählte die ellenlange Nummer an. Nach
zahlreichen Versuchen, in denen entweder schon während des Wahlvorgangs die
Verbindung zusammenbrach oder er außer einem Pfeifen nichts weiter vernahm,
wurde er schließlich mit dem zuständigen Mitarbeiter verbunden.
»Höhn!«
Mommsen trug seine Bitte vor, dass die Kripo in Husum
am Aufenthaltsort von Davor Bardolic interessiert sei.
»Haben Sie eine Adresse?«, wollte der Mann in Pristina
wissen.
Mommsen gab ihm die von Christoph übermittelte
Anschrift durch.
»Das ist aber sehr abgelegen«, kommentierte Herr Höhn.
»Das ist in Metohija. Wir haben zwar Kontakte zu den örtlichen Behörden, aber
so einfach wie in Deutschland ist es nicht. Im Kosovo leben zu neunzig Prozent
Albaner. Das sind Muslime. Der von Ihnen gesuchte Mann ist aber, so vermute ich
vom Namen und der Anschrift her, ein Angehöriger der serbischen Minderheit. Es
sind zwar nur etwa einhundertfünfzig Kilometer bis zu der angegebenen Adresse,
aber das bedeutet hier mehr als eine Tagesreise.«
Er ließ sich Mommsens Rufnummer geben und versprach,
sein Möglichstes zu tun.
*
Christoph legte seine Hände auf das Lenkrad und sah
Große Jäger an, der mit einem mürrischen Gesichtsausdruck starr nach vorn
blickte.
»Und wie kommen wir jetzt weiter?«, fragte er.
Der Oberkommissar brummte Unverständliches in sich
hinein.
»Es ist zu dumm, dass wir weder das Fahrzeug noch
diesen Bardolic haben auftreiben können.« Christophs Stimme verriet Ungeduld.
»Der Wagen ist wie vom Erdboden verschluckt. Wenn wir
wüssten, wer ihn zuletzt benutzt hat, hätten wir auch gute Chancen, den Täter
zu identifizieren. Die zweite Frage ist: Wer hat Banzer in der Tatnacht
betrunken gemacht oder war zumindest zugegen bei dieser Orgie?«
Christoph schlug mit der flachen Hand auf das Lenkrad.
Sein Ärger war unübersehbar. »Es ist einem Außenstehenden nicht erklärbar, dass
wir keinerlei Informationen über den Stand der Ermittlungen der Mordkommission
bekommen. Diese internen
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