Vom Himmel hoch
Bänden abgefasst und dazu Hunderte von Ausführungsbestimmungen erlassen.«
Ihr heiterer Dialog wurde durch das Klingeln des
Telefons unterbrochen.
Hansen nahm den Hörer ab. Er hörte dem Anrufer eine
Weile schweigend zu, nur unterbrochen von einem gelegentlichen »Ja, ja« oder
»Hmmmh!«.
»Nun beruhigen Sie sich erst einmal«, sagte er, als
Rubina Hansen neben ihm auftauchte und ihn interessiert ansah. Dann lauschte er
wieder seinem Gesprächspartner.
»Sind neue Fakten aufgetaucht, die gegen Sie
sprechen?«, wollte Hansen besorgt wissen.
»Richtig«, stimmte er den Ausführungen des anderen zu,
»das kann auch nicht sein, da Banzer tot ist. Sie sollten sich ruhig verhalten,
erst einmal etwas Zeit verstreichen lassen, und dann wird sich mit Sicherheit
eine befriedigende Lösung finden. Sie können sicher sein, dass meine Frau sich
um die ganze rechtliche Seite der Angelegenheit kümmern wird. Da dieses Thema
aber nicht ihr Fachgebiet ist, wird sie einen erfahrenen Kollegen hinzuziehen.
Da sind Sie bestens aufgehoben. Und ich stehe Ihnen jederzeit für ein Gespräch
unter vier Augen zur Verfügung.«
Offensichtlich erreichten Hansens Worte seinen
Gesprächspartner nicht. Der Pastor zeigte innere Anspannung. Rubina konnte es
am mahlenden Unterkiefer ihres Mannes erkennen.
»Sie sollten nichts unternehmen. Absolut nichts«,
sprach er eindringlich ins Telefon. »Glauben Sie mir. Das ist keine Lösung!«
Rubina Hansen musste nicht nachfragen, um zu wissen,
wer am anderen Ende der Leitung sprach.
Der Pastor ließ dem Anrufer viel Zeit.
Nach einer ganzen Weile antwortete er: »Ja, Sie sind
das Opfer einer perfiden Erpressung geworden. Darauf wird man mit Sicherheit
Rücksicht nehmen. Jeder wird Verständnis dafür zeigen, dass nicht nur Sie,
sondern auch die Menschen, die mit Ihnen verbunden sind, darunter zu leiden
hatten.«
Dann überließ er seinem Gesprächspartner wieder das
Wort.
»Davon sollten Sie Abstand nehmen …« Hansen war lauter
geworden. Seine Frau hatte ihren Mann, der im Laufe seines Berufslebens häufig
Menschen in Grenzsituationen Beistand geleistet hatte, nicht oft in einer
solchen Erregung erlebt.
»Um Gottes willen! Ich flehe Sie an. Machen Sie das
nicht«, bat er mit bebender Stimme. »Kein Mensch auf Erden hat das Recht, sich
zum Richter über Leben und Tod zu erheben. Das ist ausschließlich einer
übergeordneten Macht vorbehalten. Ich bitte Sie eindringlich, kommen Sie jetzt
sofort zu mir nach Hause. Das wird Ihnen Trost spenden.«
Der andere erwiderte etwas, worauf Hansen mit leiserer
Stimme antwortete: »Stürzen Sie sich nicht ins Unglück. Eine solche Tat ist
nicht rückgängig zu machen. Ich versichere Ihnen nochmals: Es gibt eine
Lösung.«
Nach einer kurzen Weile schloss er das Gespräch mit
der Bemerkung ab: »Gut, ich komme sofort. Ich werde in wenigen Minuten bei
Ihnen sein.«
Mit einer fahrigen Bewegung fuhr sich der Pastor
durchs Haar. Dann blickte er seine Frau an.
»Da bahnt sich eine entsetzliche Katastrophe an.
Hoffentlich ist sie noch zu verhindern.«
»Soll ich die Polizei verständigen?«, fragte Rubina
Hansen.
Er schüttelte den Kopf. »Das wäre keine Hilfe in
dieser Situation.«
»Oder diesen Hauptkommissar aus Husum? Wie hieß er
noch gleich?«
Auf Hansens Gesicht zeigte sich der Anflug eines
Lächelns. »Johannes. Wie viele Heilige.«
Rubina Hansen nahm diesen Ball auf. »Dann könnte er
eventuell hilfreich sein.«
»Nein«, entgegnete Hansen jetzt wieder ernsthaft, »in
diesem Fall sind die himmlischen Mächte nicht sehr hilfreich. Das ist ein
handfestes irdisches Problem. Wo sind meine Autoschlüssel?«
*
Der blumig frische Duft des Darjeelings aus Christophs
Tasse wurde überdeckt vom Tabakqualm.
Wir werden ihm das Rauchen im Büro abgewöhnen müssen,
dachte Christoph. Ich fürchte jedoch, dass man jeden davon überzeugen könnte,
nicht aber Wilderich Große Jäger.
Ihm war jetzt nicht nach einer Auseinandersetzung mit
dem Oberkommissar zumute. Seine Gedanken hingen immer noch dem gestrigen Abend
nach. Es war eine schöne, vor allem lange Verabredung mit Anna Bergmann
gewesen. Sie hatten beim Italiener gegessen und anschließend bei einem Glas
Rotwein miteinander geplaudert, bis der Patrone sie als letzte Gäste des Abends
hinauskomplimentiert hatte. Natürlich war er verheiratet. Aber durfte er
deshalb nicht mit einer Frau essen gehen? Sein anfänglich schlechtes Gewissen
hatte sich so weit beruhigt, dass er noch gestern Abend einem
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