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Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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altersschwachen Kombi schlurfte.
    Er setzte sich hinters Lenkrad, starrte blicklos durch
die schmutzige Scheibe.
    Dann hieb er mit beiden Händen auf die Mittelspeiche.
»So ein verdammter Mist«, fluchte er.
    Er startete den Motor und fuhr ziellos durch die
Straßen der kleinen Stadt. Plötzlich stand er auf dem Parkplatz seiner
Stammkneipe. Um diese Tageszeit war die Gaststätte fast leer.
    »’nen Kurzen«, bestellte er, während er auf dem Hocker
am Tresen Platz nahm.
    Wortlos schenkte ihm der Wirt ein.
    Kleinwächter stürzte das klare Getränk hinunter.
    »Noch einen.«
    Diese Prozedur wiederholte sich ein paar Mal.
Zwischendurch trank er mehrere Bier.
    In seinem Kopf kreiste immer wieder die Frage, warum
das alles so geschehen musste.
    Warum hatte man ihn entlassen, damals, als es dem
»Friesischen Metallbau« nicht gut ging?
    Er hatte danach gekämpft, sich abgestrampelt, war den
mühsamen Weg gegangen, für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen.
    Und nun sollte alles verloren sein. Einschließlich des
schlichten Siedlungshäuschens, das sein Vater als Sicherheit für die
Bankkredite eingebracht hatte und in dem der alte Herr seinen Lebensabend
verbrachte.
    Und das alles nur, weil ihm dieses lausige Stück
Papier fehlte, der Meisterbrief.
    Und weil ein Mensch auftauchte, dem er nie zuvor
begegnet war. Er hatte nichts gegen Banzer gehabt, war ihm nie in die Quere
gekommen. Ja, er kannte ihn nicht einmal, bis dieser seine unerwarteten
Attacken gegen Kleinwächter gestartet hatte.
    »Arno, du solltest jetzt aufhören«, mahnte der Wirt.
    Mit müden Augen sah Kleinwächter ihn an, bevor er mit
schwerer Zunge antwortete: »Das lass meine Sorge sein. Schenkst mir noch einen
ein?«
    »Das ist aber der Letzte. Danach ist Schluss«, gab der
Wirt bestimmt zurück.
    Kleinwächter stieg mühsam vom Barhocker herab und fand
auf unsicheren Beinen Halt.
    »Bezahl ich alles morgen«, verkündete er mit einem
Armschwenk und torkelte Richtung Ausgang.
    »Du wirst doch in diesem Zustand nicht mehr fahren?«,
hörte er den Wirt rufen, doch das kümmerte ihn nicht.
    Nach mehreren Versuchen fand er das Türschloss seines
Wagens und ließ sich schwer in die Polster fallen. Er atmete tief durch, kramte
in seinem blauen Overall nach einer zerknautschten Zigarettenpackung und
zündete sich umständlich eine an.
    Die Asche fiel auf seine Oberschenkel. Er unterzog
sich nicht einmal der Mühe, sie von dort wegzuklopfen.
    Dann fuhr er los.
    Langsam bewegte er den Wagen durch die engen Straßen.
Schemenhaft nahm er seine Umgebung wahr. Er bemühte sich, die für ihn plötzlich
auftauchenden Hindernisse so gut es ging zu umfahren. Er ließ seinen Kombi
behutsam an eine Kreuzung heranrollen, orientierte sich mühsam über seinen
Standort und registrierte im Unterbewusstsein, dass er nach rechts abbiegen
musste, um durch das Stadtzentrum zurück zu seiner Werkstatt zu gelangen.
    Er betätigte das Gaspedal, und als sich der Wagen
nicht bewegte, drückte er es weiter durch. Das Aufheulen des Motors machte die
Passanten auf das Fahrzeug aufmerksam.
    Nachdem der Wagen sich immer noch nicht vom Fleck
rührte, fiel Kleinwächter ein, dass er einen Gang einlegen musste. Mit einem
deutlichen Ratschen beschwerte sich das Getriebe über die rohe Gewalt, die ihm
zuteil wurde.
    Er ließ die Kupplung kommen, gab gleichzeitig Gas und
hatte merkliche Probleme bei der Koordination dieser beiden Handlungen. Er
versuchte das Lenkrad einzuschlagen, sodass er nach rechts abbiegen konnte.
    Die Drehbewegung am Steuer war für die Geschwindigkeit
viel zu langsam.
    Kleinwächters Wagen schwenkte auf die Gegenfahrbahn
und knallte mit einem lauten Krachen in die Frontpartie eines auf der
vorfahrtsberechtigten Straße entgegenkommenden Kleinwagens.
    Der Knall des Aufpralls, das Kreischen des sich
verformenden Blechs, die Schreie der Fußgänger … all dies registrierte
Kleinwächter nur wie durch eine Nebelwand, die alle Töne angenehm dämpfte.
    Dann war Stille.
    Er sah nicht die ziehharmonikahaft gefaltete
Frontpartie des Kleinwagens, der um ein gutes Stück kürzer geworden war. Er
bekam auch nicht mit, wie dem Wagen ein verstörtes älteres Ehepaar entstieg.
Passanten stützten die Frau, die sich aus dem Beifahrersitz geschält hatte und
in deren bleichem Gesicht das Rot aus der Platzwunde an der Stirn eigentümlich
kontrastierte.
    Kleinwächter saß in seinem demolierten Kombi und
verstand die Welt nicht mehr. Irgendetwas hatte sich ereignet, an dem

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