Vom Himmel in Die Traufe
Hätte ich einst die Militärlaufbahn gewählt, hätte ich es ganz sicher mindestens bis zum Oberst gebracht. Schließlich gibt es in unserer Familie immerhin zwei Generäle sowie eine ganze Schar Oberste und Majore.
Herr Heiskari strahlt eine ganz eigene, anziehende Männlichkeit aus, die dich womöglich beeindruckt hat. Dennoch ist er keine moderne Version des ›edlen Wilden‹, durchaus nicht. Allerdings muss auch ich zugeben, dass, wäre er jünger und hätte er wenigstens ein bisschen mehr Manieren, Schliff und Bildung, auch ich mich womöglich von ihm angezogen fühlen würde. Ich meine damit nicht, dass ich in irgendeiner Weise beabsichtigen würde, den potenziellen erotischen Freund in ihm zu sehen – das liegt mir gänzlich fern –, aber irgendwie verstehe ich dich, die du immerhin eine Frau bist, und in unserer Familie sind ja die Frauen, mit Verlaub, recht aktiv. Schon allein, dass er ziemlich nachlässig in seiner persönlichen Hygiene ist, ist mir ziemlich unangenehm. Kannst du dir vorstellen, dass er nach dem Rasieren keine weiteren Düfte als ein paar Tropfen seines billigen Rasierwassers verwendet?! Als auch das verbraucht oder verschwunden war, hielt er es für angebracht, sein Kinn und sogar seine Achselhöhlen mit einem Schuss reinen Wodkas einzureiben! Aufmerksam wie ich bin, stellte ich ihm ein, wie ich fand, elegantes Parfüm ins Bad, aber bei diesem Herrn wirkte der sanfte Wink nicht. Andererseits ist er ein eifriger Saunagänger, was zum Glück die ansonsten mangelhafte Hygiene ausgleicht. Leider gibt es auf solchen Reisen nur sporadische Möglichkeiten zum Saunieren.
Verzeih mir, dass ich so viel von deiner Zeit beansprucht habe, um dir meine vielleicht nichtig erscheinenden Beobachtungen mitzuteilen, aber du musst wissen, dass das Gefäß meiner Ersterfahrungen randvoll ist, falls du verstehst.«
Ragnar Lundmark musste das Abfassen seines erregten Rapports für einige Zeit unterbrechen, denn Hermanni Heiskari kam zu ihm ins Zimmer gepoltert und beklagte sich über sein elendes Befinden. Ein Wunder war das nicht. Butler Ragnar entnahm seinen eigenen Beständen eine Vitaminspritze und hieb sie seinem Schützling in den Hintern, dann bestellte er ihm ein leichtes Frühstück aufs Zimmer und geleitete ihn unter die Dusche. Als das erledigt war, kehrte er in sein eigenes Zimmer zurück, um an dem Bericht weiterzuschreiben.
»Gerade eben ist Herr Heiskari erwacht. Er fühlt sich jetzt sehr elend. Er erkundigte sich, an wen ich schreibe, und als er erfuhr, dass du, liebe Lena, die Empfängerin bist, wurde er buchstäblich kalkweiß im Gesicht und bat mich, dir keine Einzelheiten unserer bisherigen Tour zu verraten. Ich versprach, ihm gegenüber loyal zu sein, obwohl ich größte Lust hätte, sein Verhalten detaillierter zu beschreiben. Dann wüsstest du nämlich, wer der Mann ist, den du in ein kultivierteres Umfeld zu bringen beschlossen hast.
In Einhaltung meines Versprechens begnüge ich mich also damit, die Etappen unserer Reise nur in groben Zügen nachzuzeichnen.«
Es folgte ein langes Klagelied über die zweiwöchige Tour, die also in Saariselkä begonnen hatte und über Rovaniemi, wo Mittsommer gefeiert worden war, nach Oulu, Jyväskylä, Tampere, Lahti und Kymenlaakso geführt hatte. Der Rapport endete mit der Schilderung einiger charakteristischer Situationen:
»Ich habe Herrn Heiskari als impulsiven Alkoholiker erlebt, der bei seinen Saufgelagen auch gern Frauen um sich schart. Hoffentlich bist du nicht allzu schockiert, wenn ich dir erzähle, dass sich zeitweise eine beträchtliche Anzahl moralisch fragwürdiger Damen, um nicht zu sagen Dirnen, zu uns gesellt hatte, für deren Bewirtung ich notgedrungen mit aufkommen musste. Will sagen, Herr Heiskari interessierte sich sogar für professionelle Dienerinnen der käuflichen Liebe, ohne allerdings auch nur im Entferntesten zu begreifen, auf was diese Frauen wirklich aus sind. Er glaubt allen Ernstes, dass ihr Interesse auf seine ungewöhnliche Anziehungskraft zurückzuführen ist. Sogar estnische und russische Frauenzimmer waren darunter. Nach meiner Einschätzung ist es mir in all diesen alarmierenden Situationen wenigstens gelungen, für die Einhaltung der erforderlichen Hygiene und Verhütung zu sorgen. Du kannst mir glauben, dass dabei enormes Feingefühl und unnachgiebige Entschlossenheit erforderlich waren.
Ich schicke dir diese Zeilen als Fax, liebe Lena, und melde mich morgen, vielleicht aus Porvoo, aus dem
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